Entscheidungsstichwort (Thema)

Recht eines Konkursverwalters auf Einsicht der Akten des von zusammenveranlagten Ehegatten gemeinsam betriebenen, aber infolge des Konkursverfahrens unterbrochenen Klageverfahrens wegen Einkommensteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird das von zusammenveranlagten Ehegatten gemeinsam betriebene Klageverfahren wegen Einkommensteuer aufgrund der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des einen Ehegatten teilweise nach § 155 FGO i.V.m. § 240 ZPO unterbrochen, steht einem Gesuch des Konkursverwalters auf Einsicht der Akten dieses Verfahrens das Steuergeheimnis weder gegenüber dem Gemeinschuldner, da dieser zur Offenlegung seiner Vermögensverhältnisse nach § 100 KO verpflichtet ist, noch gegenüber dessen Ehegatten entgegen, weil aufgrund der Ehegattenzusammenveranlagung der Gemeinschuldner Gesamtschuldner der streitigen, die Konkursmasse betreffenden Einkommensteuerforderung ist.

 

Normenkette

FGO § 78 Abs. 1 S. 1; AO 1977 § 30 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a; ZPO § 240; FGO § 155; EStG § 26 b; AO 1977 § 44 Abs. 1; KO § 100

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob Zahlungen eines Dritten, nämlich des Bruders des Klägers, an die Klägerin als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) der Einkommensteuer unterliegen. Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten. Während des Klageverfahrens ist über das Vermögen des Klägers das Konkursverfahren eröffnet worden.

In einem Zwischenstreit begehrt die Konkursverwalterin Akteneinsicht bei Gericht. Das beklagte Finanzamt hält die Akteneinsicht wegen des gegenüber der Klägerin zu wahrenden Steuergeheimnisses für unzulässig. Die Kläger haben sich auf die Aufforderung des Gerichts, der begehrten Akteneinsicht zuzustimmen (s. Bl. 45, 46 der FG-Akte), nicht geäußert. Die Konkursverwalterin hat im Prüfungstermin die vom Finanzamt zur Konkurstabelle in der Streitsache angemeldeten streitigen Steuerforderungen bestritten. Auf das diesbezügliche Schreiben des Zentralfinanzamts München vom 23. August 1999 wird Bezug genommen (Bl. 58, 59 der FG-Akte).

II.

1. Das Gesuch der Konkursverwalterin auf Akteneinsicht bei Gericht ist zulässig. Nachdem das Finanzamt das Akteneinsichtsrecht der Konkursverwalterin entgegen deren Begehren bestreitet, ist hierüber formell zu entscheiden, woraus sich die Zulässigkeit des Antrags ergibt, da eine vom Gesetz nicht gedeckte Akteneinsicht vielfache rechtliche nachteilige Folgen auslösen kann (§ 355 Strafgesetzbuch, § 839 Bürgerliches Gesetzbuch i.V.m. Art. 34 Grundgesetz und Disziplinarfolgen).

2. Das Gesuch auf Akteneinsicht ist auch begründet. § 30 Abgabenordnung (AO) steht dem nicht entgegen. Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) können die Beteiligten die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen. Der Konkursverwalter ist zwar nicht Beteiligter i. S. des § 78 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 57 PGO. Doch § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO ist erweiternd dahingehend auszulegen, daß auch dem Konkursverwalter Akteneinsichtsrecht zusteht. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Gemäß § 155 FGO i.V.m. § 240 Zivilprozeßordnung (ZPO) wird ein Gerichtsverfahren im Fall der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen einer Partei unterbrochen, wenn es die Konkursmasse betrifft, bis es nach den für den Konkurs geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Konkursverfahren aufgehoben wird. Zweck der Unterbrechung nach § 240 ZPO ist es, dem Konkursverwalter als dem nunmehrigen Prozeßführungsbefugten eine Prüfungs- und Überlegungsfrist einzuräumen, damit durch den Verfahrensfortgang kein Schaden entsteht. Der Konkursverwalter soll genügend Zeit haben, sich mit dem Prozeßgegenstand zu befassen und zu entscheiden, ob es sinnvoll ist, den Prozeß fortzuführen (Feiber in Münchner Kommentar, ZPO, § 240 Rz. 1). Diese dem Konkursverwalter eingeräumte Frist zum Kennenlernen des Prozeßstoffes und die Überlegungsfrist, den Prozeß fortzuführen, hat deshalb Bedeutung, da der Konkursverwalter aufgrund seines Bestreitens der Steuerforderungen das Gerichtsverfahren aufnehmen kann und zwar in dem Stand, in dem es sich bei Konkurseröffnung befand (Bundesfinanzhof-BFH-Urteil vom 10. Dezember 1975 II R 150/67, Bundessteuerblatt –BStBl– II 1976, 506 unter 2.). Damit der Konkursverwalter dem eben beschriebenen Zweck der Verfahrensunterbrechung gerecht werden kann, muß es ihm möglich sein, den Prozeßgegenstand kennenzulernen. Denn anderenfalls wäre die Überlegungsfrist gegenstandslos. Dieser Zweck kann durch das Akteneinsichtsrecht des Konkursverwalters bei Gericht erreicht werden. Der Gemeinschuldner hat zwar gemäß § 100 Konkursordnung (KO) eine Mitwirkungspflicht gegenüber dem Konkursverwalter, woraus sich ergeben kann, daß der Gemeinschuldner den Konkursverwalter über den Inhalt und den bisherigen Prozeßverlauf eines Gerichtsverfahrens unterrichten muß. Eine solche Mitwirkungspflicht ist auch erzwingbar (§ 101 KO). Doch im Sinn eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz) ist dem Konkursverwalter di...

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