Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlass von Steuerforderungen und Säumniszuschlägen

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Nach Eintritt der Bestandskraft eines Steuerbescheides kommt ein Steuererlass wegen sachlicher Unbilligkeit nur dann in Betracht, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig ist und es dem Steuerpflichtigen nicht möglich und nicht zumutbar war, sich rechtzeitig gegen die Fehlerhaftigkeit zu wehren.

2) Säumniszuschläge sind wegen sachlicher Unbilligkeit zur Hälfte zu erlassen, wenn dem Steuerpflichtigen die rechtzeitige Zahlung der Steuern wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit unmöglich ist.

3) Zu den Voraussetzungen eines Steuererlasses wegen persönlicher Unbilligkeit (Erlassbedürftigkeit und Erlasswürdigkeit).

 

Normenkette

AO § 227

 

Nachgehend

BFH (Aktenzeichen VIII B 136/10)

 

Tatbestand

Streitig ist der Erlass von Steuerforderungen gegen den Kläger, die sich nach dem Stand der Einspruchsentscheidung vom 17.03.2008 auf 45.774,15 EUR belaufen. Der Kläger ist heute 73 Jahre alt und Rentner.

Der Kläger war bis zu dem Widerruf seiner Anwaltszulassung im Januar 1991 als Rechtsanwalt freiberuflich tätig. Außerdem betätigte er sich als Einzelunternehmer gewerblich u.a. unter dem Firmenmantel A KG bzw. C-A KG und der A Versicherungs-Beratungs-GmbH. Weiterhin trat der Kläger als Vermieter von Wohnmobilen, als Versicherungsvertreter und als selbständiger Unternehmensberater in Erscheinung. In den Jahren 1990 bis 1992 führte der Beklagte bei dem Kläger eine Betriebsprüfung für die Jahre 1986 bis 1990 durch, die wegen gravierender Aufzeichnungsmängel zur Verwerfung der Buchführung und zu Hinzuschätzungen von Umsätzen und Erlösen führte. Insoweit wird auf den Inhalt der beiden Betriebsprüfungsberichte vom 23.09.1992 für den Kläger und die Gesellschaften verwiesen. Im Oktober 1991 wurde darüber hinaus durch das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung D ein Strafverfahren gegen den Kläger eingeleitet. Im Ergebnis wurde der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts D vom 28.02.2000 u.a. wegen Einkommensteuerhinterziehung verurteilt. In der Folge kam es zu zahlreichen Rechtsbehelfs- und Klageverfahren des Klägers gegen die aufgrund der durchgeführten Betriebsprüfung erlassenen Steuerbescheide. Die vom 15. Senat des Finanzgerichts Köln in diesem Zusammenhang am 19.11.2001 erlassenen Urteile wurden allesamt rechtskräftig. Hierbei handelt es sich unter anderem um die Urteile in folgenden Verfahren: 15 K 841/95 wegen Einkommensteuer 1986 – 1988, 15 K 6613/01 wegen Einkommensteuer 1990, 15 K 5286/95 wegen Einkommensteuer 1987, 15 K 6625/01 wegen Einkommensteuer 1989, 15 K 3648/95 wegen Einkommen- und Umsatzsteuer 1986 bis 1990 und 15 K 675/95 wegen Umsatzsteuer 1986 bis 1990. Die Urteile wurden dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 02.02.2002 durch persönliche Übergabe zugestellt.

Die Steuerforderungen aus den Betriebsprüfungen konnte der Kläger nicht begleichen. Auch die vom Beklagten eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen führten nicht zum Erfolg. Zwecks Unterbrechung der Zahlungsverjährung erteilte der Beklagte dem Vollziehungsbeamten am 22.11.2006 einen erneuten Vollstreckungsauftrag. Da der Kläger beim Besuch des Vollziehungsbeamten am 24.11.2006 in seiner Wohnung nicht angetroffen wurde, kündigte der Beklage ihm mit Verfügung vom 24.11.2006 für den 14.12.2006 den erneuten Besuch des Vollziehungsbeamten zur Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen an. Ausweislich der beigefügten Aufstellung beliefen sich die Steuerrückstände einschließlich Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten auf 448.365,79 EUR. Die Verfügung wurde dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 29.11.2006 zugestellt. Mit Verfügung vom 05.12.2006 hob der Beklagte den angekündigten Vollstreckungstermin auf, weil der Kläger zwischenzeitlich am 28.11.2006 beim Amtsgericht B unter dem Aktenzeichen … das Vermögensverzeichnis vorgelegt und die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte und sich hieraus keine neuen Erkenntnisse für die Fortsetzung des Zwangsvollstreckungsverfahrens ergeben hatten.

Mit Schreiben vom 16.01.2007 machte der Kläger erstmals die Einrede der Zahlungsverjährung geltend. Die daraufhin vom Beklagten vorgenommene Überprüfung ergab, dass alle Ansprüche, die vor dem 01.01.2001 fällig waren, verjährt waren. Mit Schreiben vom 23.02.2007, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, teilte der Beklagte dem Kläger unter Beifügung einer Rückstandsaufstellung mit, dass sich die rückständigen Steuern einschließlich Nebenleistungen auf 42.635,65 EUR beliefen. Im Wesentlichen handelt es sich insoweit um die Einkommensteuer 1987, 1988 und 1990, die Einkommensteuer 2000 bis 2002 sowie die Umsatzsteuer 2003 und die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Mai 2005. In der Folge bat der Kläger um einen rechtsmittelfähigen Bescheid, da seiner Auffassung nach sämtliche Steuerforderungen verjährt seien. Dem kam der Beklagte durch Erteilung eines Abrechnungsbescheides vom 19.07.2007, auf den wegen der Ein...

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