Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendungsbereich der Anlaufhemmung bei der Schenkungsteuer
Leitsatz (redaktionell)
1. Als Finanzbehörde im Sinne des § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO ist nicht die Finanzbehörde alsorganisatorische Einheit und Trägerin des Verwaltungsverfahrens zu verstehen, sonderndie zur Festsetzung der Schenkungsteuer organisatorisch berufene Dienststelle des örtlichzuständigen (§ 35 ErbStG) Finanzamts.
2. Die bei den Finanzämtern gebildeten Erbschaft- und Schenkungsteuerstellen stehennicht in einer Funktionsnähe mit weitgehend überschneidender Zuständigkeit für denselben Steuertatbestand zu anderen Dienststellen der Finanzverwaltung. Ihnen kannfolglich nicht das Wissen anderer Dienststellen und erst recht nicht das andererFinanzämter zugerechnet werden.
3. Es stellt keine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn sich das Finanzamt trotzVerletzung verwaltungsinterner Informationspflichten auf die Anlaufhemmung nach §170 Abs. 5 Nr. 2 AO beruft.
Normenkette
AO 1977 § 170 Abs. 5 Nr. 2, § 88 Abs. 1 S. 1; BGB § 242; ErbStG § 35
Tatbestand
Streitig ist, ob für die Schenkungsteuer aufgrund von Vermögensübertragungen in den Jahren1987 und. 1990 Festsetzungsverjährung eingetreten ist.
Am 16. Dezember 1996 ging bei dem Finanzamt …….(Beklagter) die Ausfertigung einessogenannten Grünvermerks ein, in dem das Finanzamt für Großbetriebsprüfung … seine beieiner Betriebsprüfung der Firma ….GmbH & Co. KG getroffenen Feststellungen zuverschiedenen schenkungsteuerlich relevanten Sachverhalten aktenkundig gemacht hatte. Dabeihandelte es sich unter anderem um folgende – in tatsächlicher und rechtlicher Hinsichtunstreitige – Vermögensübertragungen zwischen dem Kläger (Beschenkter) und seinem Vater(Schenker):
- die Schenkung eines Geschäftsanteils an der Fa. ….. GmbH im Nennwert von 30.000,– DM mitnotariellem Vertrag vom 16. Dezember 1987,
die unentgeltliche Übertragung eines Kommanditanteils an der Fa…… GmbH & Co KG i.H. von60 v.H. von 80.000,– DM (= 48.000,– DM) mit notariellem Vertrag vom 28. Dezember…..(Eintragung im Handelsregister am 18. Januar …..)
und
- die Übertragung von Geldvermögen zum Zwecke eines Betriebsneubaus durch Vertrag vom 30.November ….
Wegen der weiteren Feststellungen der Großbetriebsprüfung wird auf den Inhalt desGrünvermerks Bezug genommen.
Nachdem der Kläger der Aufforderung des Beklagten, wegen der vorgenannten VermögensZuwendungen eine Schenkungsteuererklärung einzureichen, nicht nachgekommen war, schätzteder Beklagte die Besteuerungsgrundlagen nach § 162 der Abgabenordnung (AO) und erließ am6. Juni ….. unter anderem folgende Schenkungsteuerbescheide:
- Unter der Steuernummer …./9217/1096 erfaßte er die Übertragung des Kommanditanteils an derFa….. GmbH & Co KG vom 28. Dezember 1987 mit einem Erwerbswert von …….,– DM undsetzte unter Berücksichtigung der mit 30.000,– DM bewerteten Vorschenkung desGeschäftsanteils an der Fa……. GmbH vom 16. Dezember 1987 Schenkungsteuer i.H. von …….DM gegen den Kläger fest.
- Die Kapital Zuwendung aufgrund des Übertragungsvertrags vom 30. November …..(Steuernummer …./9217/1110) behandelte der Beklagte als mittelbare Grundstücksschenkung.Dabei errechnete er ausgehend von dem um 40 v.H. erhöhten anteiligen Einheitswert (…….. DM)des betreffenden Grundstücks unter Einbeziehung der in 1987 erfolgten Vorschenkungen (s.o.1.) und Anwendung des Härteausgleichs nach § 19 Abs. 3 ErbStG eine Schenkungsteuer i.H.von….,– DM.
Auf den Einspruch des Klägers ermäßigte der Beklagte die für die mittelbareGrundstücksschenkung festgesetzte Steuer (Steuernummer …./9217/1110) auf….,– DM. Dem inerster Linie erhobenen Einwand des Klägers, die Schenkungsteuer wegen der in 1987 und 1990vollzogenen Vermögensübertragungen sei bereits festsetzungsverjährt, folgte der Beklagte inseiner Einspruchsentscheidung vom 13. Oktober ….. nicht.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, zu deren Begründung der Kläger im wesentlichenvorträgt:
1. zu 9 K 8228/98 (Schenkungsteuer 1987)
Der Anlauf der Festsetzungsfrist sei im Streitfall nicht gemäß § 170 Abs. 5 Nr. 2 AO gehemmtgewesen. Finanzbehörde i. S. dieser Vorschrift sei entgegen der Auffassung einigerFinanzgerichte und AO – Kommentatoren nicht die zuständige Erbschaft- undSchenkungsteuerstelle, sondern das örtliche Finanzamt (§ 2 FVG) bzw. die Finanzverwaltungals Ganzes. Diese im Vordringen befindliche Meinung werde nicht nur von namhaftenVertretern der Steuerrechtsliteratur geteilt, sondern auch von der Zivilrechtsprechung vertreten.
Bereits im Jahre 1989 seien dem Finanzamt ………. im Rahmen derEinkommensteuerveranlagung die Steuererklärungen und der Jahresabschluß der Fa. …… GmbH& Co KG auf den 31. Dezember 1988 vorgelegt worden. Aus diesen Unterlagen, namentlich ausder Tatsache, daß der Kläger die Buchwerte fortgeführt und insoweit keine Ergänzungsbilanzerstellt habe, ergebe sich zweifelsfrei, daß die Übertragungen aus dem Jahre 1987 schenkweiseerfolgt seien. Weiterhin sei davon auszugehen, daß auch das Finanzamt für Großbetriebsprüfungaufgrund der im November/Dezember 1991 b...