Entscheidungsstichwort (Thema)

Schlichte Änderung von Steuerbescheiden als Ermessensentscheidung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a AO eröffnet eine Ermessensentscheidung des Finanzamtes.

2) Bei Vorliegen der Änderungsvoraussetzungen ist das Absehen von einer Änderung in der Regel nicht ermessensgerecht.

 

Normenkette

AO § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Pflicht des Beklagten zur Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2010 nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a AO.

Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten. Der Kläger war in dem Streitjahr – neben Herrn A und Herrn B – zu einem Drittel mit nominal 13.000 EUR beteiligt an der A C B Plan-Bau GmbH (im Folgenden: GmbH). Ausschüttungen hatte der Kläger hieraus nicht erhalten.

Durch Beschluss des AG Aachens vom ….2010 war über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren, Az. 1, eröffnet worden. Die in den Steuerakten der Kläger befindliche Bilanz der GmbH zum 31.12.2008 weist neben unfertigen Arbeiten von 289 TEUR, Forderungen von 42 TEUR, Bankguthaben von 25 TEUR und einem nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 197 TEUR Rückstellungen und Verbindlichkeiten von insgesamt 553 TEUR aus; Letztere enthielten „Darlehen C” i.H.v. 79 TEUR, „Darlehen A” i.H.v. 76 TEUR und „Darlehen B” i.H.v. 9 TEUR sowie Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten i.H.v. 169 TEUR und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen von 114 TEUR

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr hatten die Kläger einen Veräußerungsverlust i. S. d. § 17 EStG aus der GmbH in folgender Höhe und Zusammensetzung geltend gemacht:

Kapitaleinlage

13.000,00 EUR

Verbindlichkeiten gegen Gesellschafter laut Bilanz der GmbH

Darlehen 2002-2008

59.000,00 EUR

Zinsen 2002-2007

19.997,95 EUR

78.997,95 EUR

Darlehen 2009

3.000,00 EUR

Veräußerungsverlust

94.997,95 EUR.

Mit der Begründung, dass eine Berücksichtigung des Verlustes 2010 noch nicht in Betracht komme, da die GmbH ausweislich der Bilanz zum 31.12.2008 noch über Vermögen verfüge, dessen Verwertung durch den Insolvenzverwalter abzuwarten sei, war in dem Steuerbescheid vom 13.6.2012 die Einkommensteuer 2010 ohne Ansatz des Veräußerungsverlustes auf 1.674 EUR festgesetzt worden.

Gegen diesen Bescheid hatten die Kläger Einspruch eingelegt wegen der Nichtberücksichtigung des Veräußerungsverlustes nach § 17 EStG.

Nachdem eine Anfrage des Beklagten bei dem für die Besteuerung der GmbH zuständigen Finanzamt nach einer Veräußerung der Vermögenswerte der GmbH sowie Auskehrungen bzw. Rückzahlungen an die Gesellschafter ergebnislos verlaufen war, hatte der Beklagte die Bevollmächtigte der Kläger zur Begründung ihrer Rechtsauffassung aufgefordert, dass bereits 2010 der Auflösungsverlust hinreichend konkretisiert sei. Eine Stellungnahme hierzu war ausgeblieben.

Daraufhin hatte der Beklagte den Einspruch mit Entscheidung vom 3.4.2013 zurückgewiesen und ausgeführt, dass ein Veräußerungsverlust regelmäßig erst nach Abschluss der Liquidation und Beendigung des Insolvenzverfahrens feststehe. Eine frühere Verlustberücksichtigung komme nur ausnahmsweise in Betracht und sei durch Vorlage einer Bestätigung des Insolvenzverwalters, dass der Gesellschafter nicht mit Zuteilungen oder Rückzahlungen aus der Masse rechnen könne, nachzuweisen. Zudem müsse die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten im Wesentlichen feststehen.

Am 26.4.2013 ging ein Schreiben der Bevollmächtigten der Kläger bei dem Beklagten mit auszugsweise folgendem Inhalt ein:

„[…]

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bitte, die Veranlagungen 2010 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 03.04.2013 nach § 172 AO zu ändern.

Ich bitte, den Verlust nach § 17 EStG im Jahre 2010 zu berücksichtigen. Der Verlust ist abzugsfähig in dem Veranlagungszeitraum, in dem fest steht, dass keine Rückzahlungen mehr an den Gesellschafter geleistet werden.

Das war im Jahre 2010.

Es ist unüblich, dass im Rahmen eines Insolvenzverfahrens noch Auskehrungen durch den Insolvenzverwalter an den Gesellschafter erfolgen, weil das Stammkapital und die eigenkapitalersetzenden Darlehen erst bedient werden, wenn alle anderen Gläubiger befriedigt sind.

Als Anlage erhalten Sie ein Schreiben des Insolvenzverwalters, aus dem hervorgeht, dass die Gesellschafter mit einer Rückzahlung nicht rechnen konnten. […]”

Dem Schreiben waren zwei gleichlautende Schriftsätze des Insolvenzverwalters der GmbH vom 16.6.2011 beigefügt, gerichtet an jeweils einen der beiden Mitgesellschafter des Klägers, A und B, mit dem der Insolvenzverwalter bestätigte, „dass bereits zum Berichtstag am 20.10.2010, wegen der Nachrangigkeit und wegen der Höhe der Masseverbindlichkeiten, feststand, dass die von Ihnen geleistete Stammeinlage und die zu diesem Stichtag bestehenden Valuta, der von Ihnen geleisteten Darlehensbeträge, nicht mehr, auch nicht teilweise, an Sie als Gesellschafter zurückgezahlt werden können”.

Daraufhin teilte der Beklagte der klägerischen Bevollmächtigten unter dem 2.5.2013 schriftlich mi...

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