Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtigkeit eines Haftungsbescheides nach rechtskräftig beschlossenem Insolvenzplan

 

Leitsatz (redaktionell)

Haftungsbescheide für vorinsolvenzrechtliche Steuerforderungen sind nach Wirksamwerden eines rechtskräftig bestätigten Insolvenzplans nichtig, wenn der Plan eine Ausschlussfrist für Nachzügler enthält, die das FA nicht ohne Verschulden hat verstreichen lassen.

 

Normenkette

InsO §§ 57, 254b, 259b; AO § 251 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.03.2022; Aktenzeichen VI R 33/19)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Nichtigkeit bzw. Rechtswidrigkeit eines Haftungs- und Nachforderungsbescheides über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer im Nachgang zu einem nach Genehmigung eines Insolvenzplans beendeten Insolvenzverfahren.

Die Klägerin firmierte seit 2002 als A AG und firmiert seit einer formwechselnden Umwandlung im Jahr 2018 unter A GmbH (Handelsregister des Amtsgerichts C HRB …). Die Geschäftsanschrift der AG lautete zunächst B-Straße …, … C; örtlich zuständiges Finanzamt war daher das Finanzamt C-1. Am 30.04.2015 wurde als neue Geschäftsanschrift im Handelsregister die Adresse D-Straße …, … C, eingetragen. Dadurch wurde der Beklagte örtlich zuständiges Finanzamt.

Am …11.2013 wurde über das Vermögen der Klägerin auf deren Antrag hin das Insolvenzverfahren eröffnet (AG C, Az. … IN …).

Am 05.02.2014 ging beim Finanzamt C-1 ein Schreiben des Beklagten vom 04.02.2014 ein, in dem mitgeteilt wurde, dass bei der Klägerin eine Lohnsteueraußenprüfung angeordnet worden sei. Durchschriften der Prüfungsanordnung mit Datum vom selben Tage waren beigefügt.

Einem von der Klägerin als Insolvenzschuldnerin vorgelegten Insolvenzplan stimmten Gläubiger und Aktionäre im Erörterungs- und Abstimmungstermin vom 20.03.2014 mit den erforderlichen Mehrheiten zu. Das AG C als Insolvenzgericht hat den Insolvenzplan durch Beschluss vom 11.07.2014 bestätigt. Der Beschluss ist am 15.07.2014 rechtskräftig geworden.

Auf Seite 192 von 220 dieses Planes heißt es unter „Teil II. Gestaltender Teil, E. Regelungen Planquoten/Quotenberechtigung/Präklusion, 4. Ausschlussfrist Nachzügler” (Bl. 41 Gerichtsakte):

„Gläubiger, die ihre Forderungen nicht innerhalb einer Frist von einem (1) Monat nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans (die „Ausschlussfrist”) zur Insolvenztabelle angemeldet haben, erhalten keine Planquote. Die Forderungen dieser Gläubiger erlöschen mit Ablauf der Ausschlussfrist.

Die Ausschlussfrist gilt nicht, wenn der Gläubiger die Frist ohne sein Verschulden nicht eingehalten hat (vgl. § 233 ZPO) und seine Forderung innerhalb einer zweiwöchigen Nachfrist, beginnend mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist (§ 234 Abs. 1, Abs. 2 ZPO), gegenüber der Schuldnerin schriftlich geltend macht. Das fehlende Verschulden und die Einhaltung der zweiwöchigen Nachfrist sind vom Gläubiger darzulegen und zu beweisen.

Ergänzend hilfsweise gilt die gesetzliche Regelung, § 259b InsO.”

Unter dem Punkt „J. Allgemeine Regelungen, 12. Salvatorische Klausel” auf Seite 218 des Plans (Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 24.06.2019) heißt es:

„Sollte eine Bestimmung des Insolvenzplans unwirksam sein oder werden, so berührt dies die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht. Die unwirksame Bestimmung ist durch eine wirksame zu ersetzen, die inhaltlich dem Gewollten weitgehend entspricht. Gleiches gilt für eine Lücke.”

Mit Schreiben vom 22.07.2014 wies die Klägerin bezüglich eines anderweitigen Streitpunkts zu einer Lohnsteueranmeldung das Finanzamt C-1 darauf hin, dass die betreffende Lohnsteuerforderung im laufenden Verfahren zur Insolvenztabelle angemeldet werden müsse. Mit weiterem Schreiben vom 08.06.2015 wies die Klägerin das Finanzamt im Zusammenhang mit einer im Januar eingereichten Steuererklärung ausdrücklich auf die Frist des § 259b Insolvenzordnung – InsO – hin; die Verjährungsfrist ende am 11.07.2015.

Mit Beschluss vom 15.09.2014 (abgeheftet in der InsO-Akte des Beklagten, Bd. III, Trennblatt „Verfahren aufgehoben”) hat das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin aufgehoben, „nachdem die Bestätigung des Insolvenzplans vom 19.03.2014 wie im Erörterungs- und Abstimmungstermin vom 20.03.2014 angenommen rechtskräftig geworden ist (§ 258 Abs. 1 InsO), der Plan nicht gemäß II. B. gescheitert ist, der Sachwalter dem Gericht angezeigt hat, dass die Insolvenzplanquoten ausgezahlt worden sind, und die Masseansprüche berichtigt worden sind, jedenfalls ihre Erfüllung gewährleistet ist (§ 258 Abs. 2 InsO).”

Dem Insolvenzbeschlag und einer Nachtragsverteilung unterliegen nach dem Beschluss nur diejenigen weiteren etwaigen Zuflüsse aus diversen, einzeln genau spezifizierten, geltend gemachten Ansprüchen, die konkret im Beschluss aufgeführt sind. Auf den Beschluss wird ergänzend Bezug genommen.

Der Zeitraum der o. g. Lohnsteuer-Außenprüfung umfasste den 01.01.2011 bis 31.12.2013. Die Prüfung dauerte vom 10.03.2014 bis 27.08.2014. Der Prüfungsbericht datiert vom 01.10.2014 und ...

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