Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückwirkendes Ereignis - Kausalität des rückwirkenden Ereignisses für die Steuerfestsetzung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist nur zulässig, wenn das nachträglich eingetretene Ereignis, wäre es bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung bereits eingetreten gewesen, zu einer anderweitigen ursprünglichen Steuerfestsetzung geführt hätte.

2) In Fällen, in denen die Änderung auf einer geänderten Rechtsauffassung der Finanzverwaltung beruht, fehlt es an der Ursächlichkeit des rückwirkenden Ereignisses.

 

Normenkette

AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.07.2012; Aktenzeichen III R 72/10)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rückforderung der Investitionszulage für 1999 und 2000 nebst Zinsen.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Baudenkmals in B in C. In dem Objekt befinden sich vier Wohnungen, von denen drei dauerhaft zu Wohnzwecken und eine als Ferienwohnung vermietet werden. In den Jahren 1999 und 2000 sanierte die Klägerin das Objekt aufwendig für ca. 1 Mio. DM. Für die zu Wohnzwecken dienenden Gebäudeteile gewährte der Beklagte mit Bescheiden vom 06.06.2001 und 06.07.2001 Investitionszulage in Höhe von insgesamt 32.760,– DM.

In den Körperschaftsteuererklärungen 1999 und 2000, die jeweils im Folgejahr dem Beklagten eingereicht wurden, erklärte die Klägerin die gesamten Aufwendungen als nachträgliche Herstellungskosten und beantragte für den Teil der Baumaßnahmen, der kostenmäßig dem Höchstbetrag nach dem Investitionszulagengesetz 1999 (InvZulG 1999) entsprach, die Abschreibung nach § 7 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG). Für die verbleibenden Herstellungskosten nahm sie die erhöhte Abschreibung nach § 7i EStG in Anspruch. Die Körperschaftsteuerbescheide der Jahre 1999 und 2000 vom 18.03.2003 berücksichtigten dies erklärungsgemäß.

Mit Bescheiden vom 23.10.2006 hob der Beklagte die Festsetzungsbescheide für die Investitionszulage 1999 und 2000 mit der Begründung auf, die Klägerin habe gegen das Kumulationsverbot des § 3 Abs. 1 Satz 2 InvZulG 1999 verstoßen. Gleichzeitig setzte er Zinsen nach § 7 InvZulG 1999 fest. In einem in der Investitionszulageakte des Beklagten unter dem Jahr 2000 abgehefteten handschriftlichen Aktenvermerk, auf den verwiesen wird, ist hierzu zu lesen:

BMF vom 24.08.1998 = kein Kumulationsverbot i.S. der einheitl. Baumaßnahmegültig im ZtP des Erlasses beider Bescheide

Bescheide daher zu der Zeit korrekt

BMF vom 28.02.2003 = Kumulationsverbot, Stichwort „einheitliche Baumaßnahme”in allen noch offenen Fällen anzuwenden (…)

Rückwirkung durch Erlass Körperschaftsteuerbescheid (…)”

Der gegen die Aufhebungsbescheide gerichtete Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 18.04.2007).

Die Aufhebung der Investitionszulagenbescheide sei rechtmäßig. Durch die am 18.03.2003 ergangenen Körperschaftsteuerbescheide, in denen die erhöhte Abschreibung nach § 7i EStG in Anspruch genommen worden sei, sei ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO hinsichtlich der Festsetzungsbescheide eingetreten. Durch die Inanspruchnahme der erhöhten Abschreibungen sei der Anspruch auf die Investitionszulage verwirkt worden. Die Aufhebung der Bescheide sei auch innerhalb der Festsetzungsfrist erfolgt. Die Festsetzungsfrist habe mit Ablauf des 31.12.2003 begonnen und sei am 31.12.2007 abgelaufen.

Das Kumulationsverbot greife hier, da die von der Klägerin getätigten Investitionen sich als einheitliche Baumaßnahme i.S.d. Tz. 11 des BMF-Schreibens vom 28.02.2003 darstellten, so dass eine Trennung in investitionszulagenschädliche und investitionszulagenunschädliche Maßnahmen ausscheide. Baumaßnahmen seien dann als einheitlich zu werten, wenn sie in einem engen räumlichen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stünden. Die im Streitfall getätigten Investitionen beschränkten sich auf ein Bauobjekt, seien innerhalb von zwei Jahren zeitlich nachfolgend getätigt worden und bedingten sich untereinander. So sei die Rohbausanierung Bedingung für die Möglichkeit für weiterführende Arbeiten an dem Gebäude gewesen. Eine einheitliche Baumaßnahme habe mithin vorgelegen. Die für einzelne Baumaßnahmen in Anspruch genommene erhöhte Abschreibung nach § 7i EStG führe damit zu einer Investitionszulagenschädlichkeit der gesamten innerhalb der einheitlichen Baumaßnahme getätigten Investitionen.

Das Kriterium der einheitlichen Baumaßnahme sei ordnungsgemäß angewendet worden. Auch wenn dieses Kriterium erstmals im BMF-Schreiben vom 28.02.2003 erwähnt worden sei, so sei dies immer noch vor dem hier anzunehmenden rückwirkenden Ereignis vom 18.03.2003 erfolgt. Das BMF-Schreiben vom 28.02.2003 lege die Vorgehensweise für alle noch offenen Fälle fest. Als offener Fall sei auch der Streitfall zu werten.

Hiergegen hat die Klägerin am 15.05.2007 Klage erhoben und diese wie folgt begründet:

Zunächst stünde einer Änderung bereits die Festsetzungsverjährung entgegen. Soweit sich der Beklagte auf ein rückwirkendes Ereignis im ...

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