Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestehender Kindergeldanspruch bei fehlendem Erstattungsanspruch der Arbeitsgemeinschaft gegenüber der Bundesagentur für Arbeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Elternteil behält den Anspruch auf Auszahlung des Kindergelds, sofern es an einem Erstattungsanspruch der Arbeitsgemeinschaft gegenüber der Bundesagentur für Arbeit bei nicht im Haushalt der Eltern lebendem volljährigem Kind, für das Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Anrechnung von Kindergeld gezahlt worden ist, fehlt. Insoweit gilt der Anspruch nicht als im Sinne von § 74 Abs. 2 EStG erfüllt.

 

Normenkette

SGB X §§ 103-104, 107 Abs. 1; EStG § 74 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 22.11.2012; Aktenzeichen III R 24/11)

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob ein Erstattungsanspruch der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) B gegenüber der Beklagten gemäß § 74 Abs. 2 des EinkommensteuergesetzesEStG – in Verbindung mit §§ 103, 104 des X. Sozialgesetzbuches (SGB X) besteht, nach dem der Anspruch des Klägers auf Kindergeld für das Kind D als erfüllt gilt (§ 107 Abs. 1 SGB X).

Der Kläger bezog in der Zeit von August 2008 bis Januar 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1a des II. Sozialgesetzbuches in Verbindung mit § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des III. Sozialgesetzbuchs (sog. ALG II) in Höhe von insgesamt 1.414,69 EUR bzw. ab 9/2008 von 1.425,69 EUR monatlich. Zur Bedarfsgemeinschaft gehörten in dieser Zeit seine Ehefrau Frau A1 und die Tochter A2 (s. Bewilligungsbescheide vom 06.03.2008 und 22.08.2008, Bl. 198 ff. d. FG-Akte). Bei der Berechnung der Sozialleistungen berücksichtigte die Beigeladene als Einkommen ein Mal Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR monatlich.

Das am 23.07.1989 geborene und damit im Streitzeitraum volljährige Kind D lebte in dieser Zeit unstreitig nicht im Haushalt des Klägers (s. Schriftsatz des Klägers vom 12.11.2010, Bl. 197 d. FG-Akte, Anschrift auf dem Kontoauszug der C-Bank „E-Straße … in B” Bl. 152 d. FG-Akte; Protokoll der mündlichen Verhandlung). Mit Bescheid vom 05.12.2008 bewilligte die Beigeladene für D ebenfalls Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II rückwirkend ab dem 12.08.2008 in Höhe von 148,40 EUR für August 2008 und 94,20 EUR monatlich für September 2008 bis Januar 2009, ohne Kindergeld anzurechnen (s. Bl. 262 d. FG-Akte).

Auf Antrag des Klägers setzte die Beklagte für das Kind D mit Bescheid vom 26.01.2009 Kindergeld ab August 2008 monatlich fest und zahlte dieses ab Februar 2009 laufend aus. Für die Zeit von August 2008 bis Januar 2009 berücksichtigte sie einen Erstattungsanspruch der Beigeladenen gemäß § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. §§ 103, 104 SGB X, da für den gleichen Zeitraum Sozialleistungen ohne Anrechnung von Kindergeld gewährt worden seien. Der Anspruch gelte gemäß § 107 SGB X als erfüllt, so dass eine Auszahlung an den Kläger insoweit nicht erfolgen könne.

Eine förmliche Abzweigung des Kindergeldes zugunsten des Kindes D gemäß § 74 Abs. 1 EStG lag nicht vor. Auch wurde das Kindergeld nicht an das Kind selbst ausgezahlt (s. Bl. 126 d. FG-Akte).

Hiergegen wendete sich der Kläger mit Einspruch vom 28.01.2009 und machte geltend, dass die Beigeladene trotz des Leistungsbescheides zugunsten des Kindes D vom 05.12.2008, wonach rückwirkend ab dem 12.08.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 94,20 EUR/mtl. festgesetzt worden seien, jedoch keine Leistungen an diesen ausgezahlt habe.

Die Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 27.03.2009 als unbegründet zurück, nachdem sie sich mit Email vom 03.03.2009 erneut bei der Beigeladenen erkundigt hatte, ob Leistungen an den Kläger bzw. das Kind D erbracht worden seien (Bl. 32 d. FG-Akte). Auf der Grundlage der bestätigenden Antwort der Beigeladenen vom 20.03.2009 (sowie Telefonat vom 27.03.2009) begründete sie ihre ablehnende Entscheidung damit, dass ein Erstattungsanspruch nicht nur dann bestehe, wenn der andere Träger seine Leistungen an den kindergeldberechtigten Elternteil erbracht habe, sondern auch, wenn dessen Leistungen unmittelbar dem Kind gewährt worden seien (§ 104 Abs. 2 SGB X). Im Streitfall habe der andere Leistungsträger zunächst Leistungen an den Kläger und an das Kind D ohne Minderung erbracht, obwohl das für diesen Zeitraum zustehende Kindergeld bei rechtzeitiger Festsetzung hätte angerechnet werden müssen.

Mit der hiergegen am 05.04.2009 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren aus dem Einspruchsverfahren weiter. Er weist darauf hin, dass das Bankkonto des Kindes D bei der C-Bank (Kto. …; BLZ …) seit dem 15.11.2008 gesperrt gewesen sei, nachdem das Kind seinen Dispositionsrahmen überschritten habe. D habe nach der Sperrung weder Kontoauszüge noch Abhebungen von dem Girokonto veranlassen können. Aus diesem Grund habe D unverzüglich ein neues Konto bei der Sparkasse BF eröffnet und dieses bereits am 25.11.2008 per Fax der Beigeladenen mitgeteilt. Der erste Zahlungseing...

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