Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindungswirkung zur Abzugsfähigkeit festgestellter Sonderausgaben, Versorgungsleistungen, Abzugsberechtigung bei beschränkter Steuerpflicht, Kapitalverkehrsfreiheit

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Dem Feststellungsfinanzamt steht keine bindende Entscheidungskompetenz für die Frage zu, ob von den Gesellschaftern getätigte dauernde Lasten im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung tatsächlich steuermindernd zu berücksichtigen sind.

2) Das Abzugsverbot des § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG u.a. betreffend Sonderausgaben i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG verstößt gegen die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 63 AEUV, so dass Versorgungsleistungen für die Übertragung eines inländischen gewerblichen Geschäftsbetriebs auch von beschränkt Steuerpflichtigen im Rahmen der Veranlagung als Sonderausgaben abgezogen werden können.

 

Normenkette

AO § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 182; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 50 Abs. 1 Sätze 1, 4; AEUV Art. 63; AO § 179 Abs. 2 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 10.06.2015; Aktenzeichen I R 63/12)

BFH (Urteil vom 10.06.2015; Aktenzeichen I R 63/12)

 

Tatbestand

Der Kläger hat seinen Wohnsitz in den Niederlanden. Er wird in den Streitjahren als beschränkt Steuerpflichtiger zur Einkommensteuer veranlagt.

Am 21.12.2001 hat die Mutter des Klägers ihren Kommanditanteil an der A GmbH & Co KG auf den Kläger und seine beiden Brüder übertragen. Im Gegenzug haben der Kläger und seine beiden Brüder sich verpflichtet, an die Mutter insgesamt jährlich einen Betrag von 150.000,– EUR (der Kläger hiervon 75.150 EUR) zu zahlen.

1. Veranlagungszeitraum 2003

In dem Feststellungsbescheid 2003 der A GmbH & Co KG vom 07.04.2005 sind bei dem Kläger „als Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) abzugsfähige Renten und dauernde Lasten (bei Renten Ertragsanteil)” in Höhe von 75.150,– EUR festgestellt worden. In dem Einkommensteuerbescheid 1993 vom 03.05.2005 wurden dauernde Lasten nicht berücksichtigt. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 19.04.2007 beantragte der Kläger, den Einkommensteuerbescheid 2003 zu ändern und die in dem Feststellungsbescheid festgesetzten Sonderausgaben in Höhe von 75.150,– EUR zu berücksichtigen. Mit Bescheid vom 15.10.2008 lehnte der Beklagte den Antrag auf Änderung ab. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 29.10.2008 Einspruch ein.

Mit Bescheid vom 10.03.2009 wurde der Feststellungsbescheid 2003 der A GmbH & Co KG geändert und die auf den Kläger entfallenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb von bisher 274.672,– EUR um 45.882,– EUR auf 320.554,– EUR erhöht. Mit Bescheid vom 07.05.2009 änderte der Beklagte entsprechend den Einkommensteuerbescheid 2003.

Mit Schreiben vom 08.05.2009 legte der Kläger Einspruch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 2003 ein, mit dem Begehren die Zahlungen in Höhe von 75.150,– EUR als dauernde Last zu berücksichtigen.

Mit Einspruchsentscheidungen vom 09.07.2009 wies der Beklagte sowohl den Einspruch gegen die Ablehnung der Änderung als auch den Einspruch gegen den geänderten Bescheid zurück.

2. Veranlagungszeitraum 2004

In der Einkommensteuererklärung 2004 machte der Kläger keine dauernden Lasten als Sonderausgaben geltend. Der Beklagte veranlagte den Kläger im Einkommensteuerbescheid 2004 vom 08.03.2006 ohne die Berücksichtigung einer dauernden Last.

In dem Feststellungsbescheid 2004 der A GmbH & Co KG vom 04.04.2006 sind „als Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abzugsfähige Renten und dauernde Lasten (bei Renten Ertragsanteil)” in Höhe von 75.150,– EUR festgestellt worden.

Auch in dem geänderten Einkommensteuerbescheid 2004 vom 13.04.2006 wurden dauernde Lasten nicht berücksichtigt. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 19.04.2007 beantragte der Kläger, den Einkommensteuerbescheid 2004 zu ändern und die in dem Feststellungsbescheid festgesetzten Sonderausgaben in Höhe von 75.150,– EUR zu berücksichtigen. Mit Bescheid vom 15.10.2008 lehnte der Beklagte den Antrag auf Änderung ab. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 29.10.2008 Einspruch ein.

Der Feststellungsbescheid 2004 ist mit Bescheid vom 30.01.2009 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geändert worden. Dabei erfolgte keine Änderung bezüglich der Höhe der Feststellung. Es ist nur folgender Erläuterungstext neu aufgenommen worden:

„Diese Feststellung (und ihre Bindungswirkung) erstreckt sich nicht auf die Rechtsfrage, ob die als dauernde Last erklärten Aufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in den Folgebescheiden (Einkommensteuerbescheiden) dem Grunde nach als Sonderausgaben berücksichtigungsfähig sind oder dem Abzugsverbot gemäß § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG 2002 unterliegen. Über diese Rechtsfrage ist unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der Feststellungsbeteiligten allein durch die für den Erlass des jeweiligen Folgebescheids zuständigen Finanzämter zu entscheiden. Als dauernde Last im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG werden lediglich der Höhe nach folgende Aufwendungen festgestellt:” B...

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