Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeitsanforderungen an eine tatsächliche Verständigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Einverständliche Regelungen im Bereich der Sachverhaltsermittlung und über eine bestimmte (steuerliche) Behandlung von Sachverhalten sind steuerrechtlich zulässig. Eine Verständigung über das anzuwendende Recht ist unzulässig.

2) Eine tatsächliche Verständigung ist nur wirksam, wenn sie nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt.

3) Eine tatsächliche Verständigung ist nur wirksam, wenn auf Seiten des Finanzamts ein für die Steuerfestsetzung zuständiger Amtsträger beteiligt ist. Zuständiger Amtsträger ist in der Regel neben dem Vorsteher ein Veranlagungssachgebietsleiter, u. U. auch der Leiter der Rechtsbehelfsstelle. Keine zuständigen Amtsträger sind - abgesehen von der sog. veranlagenden Außenprüfung - Beamte der Außenprüfung.

4) Auf die Beteiligung eines zuständigen Amtsträgers kann auch für den Fall nicht verzichtet werden, daß die Vereinbarung im Rahmen einer Schlussbesprechung zustande kommt. Eine Vertretung des für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträgers kommt nicht in Betracht.

 

Normenkette

AO 1977 § 85

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung, wobei zwischen den Beteiligten streitig ist, ob die Besprechung, in der es zu der Verständigung kam, am 29. Mai 1996 stattfand, am 30. Mai 1996 (Datum der Erstellung des Verständigungsprotokolls) oder am 31. Mai (Datum der Unterschrift unter das Verständigungsprotokoll).

Die Klägerin betrieb seit 1990 unter der Anschrift „B-Str. …” ein gewerbliches Schreibbüro. Ihren Gewinn ermittelte sie durch Einnahme/Überschussrechnung. Für das Streitjahr 1991 ermittelte sie bei Betriebseinnahmen einschließlich Umsatzsteuer in Höhe von 89.985 DM einen Verlust von 589 DM, für 1992 bei Betriebseinnahmen von 68.451 DM einen Verlust von 20.980 DM und für 1993 bei Betriebseinnahmen von 95.747 DM einen Gewinn in Höhe von 20.452 DM.

Sie ist außerdem Eigentümerin des Grundstücks „H….” in R. Nach ihren Angaben war sie in den Streitjahren wohnhaft in der B-Str. … in R, die sich in unmittelbarer Nähe des ihr gehörenden Grundstücks befindet. Sie hatte das Grundstück seit Juli 1989 vollständig an die Fa. B vermietet, für die sie hauptsächlich Schreibarbeiten erledigte. Der gesamte Postverkehr der Klägerin wurde bis Anfang 1993 über die Anschrift „H…” abgewickelt. Zur Begründung führte die Klägerin an, das AG Bergisch Gladbach habe alle Unterlagen auf diese Anschrift ausgestellt. Sie habe eine Änderung unterlassen, weil die B-Str. … sich in unmittelbarer Nähe befinde. Da sie für B Schreibarbeiten erledige, erhalte sie die ihr zugedachten Schriftstücke ohnehin.

Im Rahmen der Umsatzsteuer erklärte sie für 1991 steuerpflichtige Umsätze aus dem Schreibbüro in Höhe von 52.450 DM und Vorsteuer von 7.144 DM (Gesamt – Zahllast einschließlich steuerpflichtigen Vermietungsumsätze: 1.189 DM), für 1993 Schreibbüro-Umsätze in Höhe von 83.296 DM und Vorsteuer von 7.593 DM (Gesamt – Zahllast einschließlich steuerpflichtigen Vermietungsumsätze: 6.330 DM).

Mit Einkommensteuerbescheid vom 10. Mai 1993 wurde die Klägerin zunächst erklärungsgemäß ohne Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt. Die Einkommensteuer 1991 wurde auf 0 DM festgesetzt, der verbleibende Verlustabzug auf den 31. Dezember 1991 auf 20.305 DM festgestellt. Auch für 1992 wurde die Kläger mit Einkommensteuerbescheid vom 20. Juli 1994 zunächst erklärungsgemäß veranlagt, allerdings unter Vorbehalt der Nachprüfung. Die Einkommensteuer 1992 wurde auf 0 DM festgesetzt, der verbleibende Verlustabzug auf den 31. Dezember 1992 auf 46.051 DM festgestellt. Auf die in diesem Zuge an die Klägerin gerichtete Anfrage, womit sie ihren Lebensunterhalt bestritten habe, erklärte diese, von Angehörigen und ihrem Freund unterstützt worden zu sein. Für 1993 habe sich die Geschäftslage allerdings gebessert.

Ende 1995 führte der Beklagte eine Betriebsprüfung durch. Während der Prüfung bestand Streit darüber, wem Vermittlungsprovisionen der A-Versicherung als Einnahmen zuzurechnen waren. Der Beklagte hatte insoweit die Auffassung vertreten, der Sohn der Klägerin sei lediglich ihr Mitarbeiter gewesen, so dass die Einnahmen ihr zuzurechnen seien. So enthält Blatt 32 der Bp-Handakte die Durchschrift eines Überweisungsträgers, mit dem die Klägerin an ihren Sohn O „Lohn Jan./91” überweist. Auch hatte die Klägerin im Zuge der Betriebsprüfung selbst vorgetragen, Versicherungsgesellschaften, u.a. die A, als Versicherungsvertreterin betreut zu haben. Der Beklagte hatte diesbezüglich die noch ausstehenden Bestätigungen der Versicherungsgesellschaften (insbesondere der A) über die gezahlten Provisionen in 1991 bis 1993 nachgefordert. Auf der Verfügung dieses Schreibens befindet sich ein Vermerk vom 29. Mai 1996. Danach hatte die Klägerin zum Besprechungstermin nur Bescheinigungen der A mitgebracht, ausweislich derer ihr im Jahr 1991 Provisionen in Höhe von 5.848 DM gezahlt worden sind, im Jahre 1992 i...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge