Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermittlungspflicht des Finanzamtes

 

Leitsatz (redaktionell)

Macht ein Steuerpflichtiger in seiner Steuererklärung erkennbar Kosten für ein Arbeitszimmer geltend, muss das Finanzamt die Voraussetzungen für eine Abzugsfähigkeit der Kosten prüfen. Unterbleibt eine solche Prüfung, ist eine spätere Änderung des Steuerbescheides auf Grundlage des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ausgeschlossen.

 

Normenkette

AO § 88 Abs. 1 S. 1, § 90 Abs. 1; EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b; AO § 173 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig sind die Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen und der begrenzte Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer eines Kabarettisten.

Die Kläger sind Eheleute, die vom Beklagten für die Jahre 2005 bis 2008 (Streitjahre) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war in den Streitjahren als … Kabarettist freiberuflich tätig. …. In den Streitjahren absolvierte er jeweils etwa 120 öffentliche Auftritte. …. Für seine Auftritte erhält der Kläger außer den Gagen Zahlungen der GEMA und der VG-Wort. Losgelöst von den Auftritten erzielt der Kläger Einnahmen aus CD-Verkäufen.

Bis zum 30.06.2007 wohnten die Kläger in der A-Straße … in B zur Miete. Die Wohnung lag im vierten Obergeschoss, war etwa 70 m² groß und bestand aus drei Zimmern sowie Küche, Diele, Bad. Zu der Wohnung gehörten gemäß dem Mietvertrag zwei direkt darüber im Dachgeschoss befindliche Zimmer mit einer Fläche von zusammen rund 40 m². Diese konnten durch eine eigene Eingangstür im Treppenhaus betreten werden. Innerhalb der Wohnung konnte man durch eine Luke im Boden mit ausziehbarer Leiter vom Obergeschoss ins Dachgeschoss und zurück gelangen. Die Räumlichkeiten im Obergeschoss dienten den Klägern als Privatwohnung, die Zimmer im Dachgeschoss nutzte der Kläger für Büroarbeiten im Zusammenhang mit seinem Beruf als Kabarettist. Am Eingang des Gebäudes waren zwei Namensschilder und Klingeln mit dem Namen des Klägers angebracht. Ein Schild trug den Zusatz „Büro”.

Mit Wirkung zum 01.07.2007 zogen die Kläger in die G-Straße … um. Hier mieteten sie die beiden im Dachgeschoss gelegenen und in sich abgeschlossenen Räumlichkeiten als Privatwohnung und als Büro an. Die letztgenannte Einheit bestand aus einem großen Raum, einer – später entfernten – Küche, einer Dusche mit WC und einem Abstellraum. Die Bodenfläche des Büros beträgt 32 m², die der privaten Wohnung 198 m². Die Eingänge liegen im Treppenhaus direkt gegenüber. Weitere Räume befinden sich im Dachgeschoss nicht. Im Gebäude ist ferner ein Aufzug vorhanden, der vom Erdgeschoss unmittelbar in die private Wohnung der Kläger führt und den sie mit einem speziellen Schlüssel bedienen können. Über das Treppenhaus des Dachgeschosses ist der Aufzug nicht zugänglich. Sowohl für die Wohnung als auch für das Büro gibt es getrennte Klingeln, verschiedene Namensschilder, gesonderte Briefkästen und eigene Gegensprechanlagen. In den unteren Geschossen des Gebäudes befinden sich ausschließlich Gewerberäume.

In beiden Gebäuden bestand die Ausstattung der beruflich genutzten Räume aus einem Schreibtisch mit einem Bürostuhl, einem Sofa, weiteren Stühlen, mehreren Regalen und Rollcontainern, einem PC mit Monitor, mehreren Kameras und Notebooks, Fernsehgeräten, einem Projektor und einem Headset. Wegen der weiteren Einzelheiten der jeweiligen Ausstattung wird auf die Anlagenverzeichnisse für die Streitjahre, die Auflistungen in der Handakte der Betriebsprüfung sowie im letzten Schriftsatz der Kläger und für das Büro in der G-Straße auf die zu den Gerichtsakten gereichte Fotoserie Bezug genommen.

Der Kläger ermittelte den Gewinn aus seiner freiberuflichen Tätigkeit durch Überschussrechnung. In den Gewinnermittlungen wurde als Anschrift der Betriebsstätte des Klägers die A-Straße bzw. die G-Straße angegeben. Ebenso wurde in den Umsatzsteuererklärungen die Adresse des Unternehmens eingetragen. Unter der Rubrik „Raumkosten” wurden Ausgaben für Miete beziffert, nämlich in 2005 und 2006 jeweils 4.000 €, in 2007 6.980 € und in 2008 9.960 €. In 2005 und 2006 wurde dazu erläutert, die „Mietaufwendungen betreffen die anteiligen Bürokosten”. In 2007 wurde vermerkt: „Ab 1. Juli 2007 wurden gewerbliche Räume – Einheit 17 – in der G-Straße …, … B angemietet”. Die Zusammensetzung der einzelnen Beträge wurde in den Gewinnermittlungen nicht dargestellt.

Die Kläger übertrugen die für die Streitjahre ermittelten Gewinne als Einkünfte des Klägers aus freiberuflicher Arbeit in ihre Einkommensteuererklärungen und gaben diese zusammen mit der jeweiligen Gewinnermittlung beim Beklagten ab. Die in den Mantelbögen eingetragenen Wohnanschriften und die in der Gewinnermittlung angegebenen Betriebstättenadressen waren identisch. Bei der Anfertigung der Unterlagen wirkten die damaligen steuerlichen Berater der Kläger mit.

Der Beklagte folgte zunächst den Erklärungen der Kläger und erließ die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2005, 2006 und 2008 am 10.01.2007, 17.01.2008 und 15.05.2009 hinsichtlich der Einkü...

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