Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilnahme an einem Fernlehrgang "Abitur" als Berufsausbildung des Kindes

 

Leitsatz (redaktionell)

Grundsätzlich kann Abiturfernlehrgang auch ohne schulische Organisation eine "Ausbildungsmaßnahme" i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) EStG darstellen. Weitere Voraussetzung ist jedoch, dass sich das Kind ernsthaft und nachhaltig auf das angestrebte Ausbildungsziel vorbereitet hat. Das ist zweifelhaft, wenn zwar die Schulgebühr gezahlt worden ist, jedoch von den erforderlichen 179 Hausarbeiten lediglich 17 nachweislich bearbeitet worden sind, ohne dass entschuldigte Fehlzeiten geltend gemacht worden wären, und auch im Übrigen die Art und Weise der Beschäftigung mit der Ausbildung nicht substantiiert dargelegt wird.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a, § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1; DA-FamEStG 63.3.2.1. (2); EStG § 32 Abs. 4 S. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin bezog bis Januar 2006 Kindergeld für ihre am 20.11.1983 geborene Tochter N. Nach Abbruch der Schulausbildung nahm die Tochter der Klägerin an einem Fernlehrgang „Abitur” des Instituts … GmbH, …, (im folgenden I …) teil (s. Teilnahmebescheinigung, Bl. 117 der KiG-Akte).

Mit Bescheid vom 7.4.2006 (Bl. 64 der KiG-Akte) hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes ab Februar 2006 auf. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Teilnahme an einem Fernlehrgang bei der I keine Ausbildung im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Im Einspruchsverfahren wies die Beklagte darauf hin, dass die kindergeldrechtliche Anerkennung des Fernstudiums u.a. voraussetze, dass der Schüler in eine schulische Mindestorganisation eingebunden werde, die eine gewisse Lernkontrolle ermögliche. Außerdem müsse die Ernsthaftigkeit anhand geeigneter Nachweise belegt werden.

Die Tochter der Klägerin teilte mit Schreiben vom 2.1.2007 mit, dass während des Lehrgangs ein Kontakt zu den Lehrern und Mitschülern telefonisch, über E-Mail oder auch per Post bestehe. Es bestünde auch eine Lernkontrolle. Während des gesamten Studienlehrgangs würden regelmäßige Lernkontrollen und Benotungen gefordert. Pro Semester müsse man zwischen 40 bis 60 Studienhefte bearbeiten. Von jedem einzelnen dieser Hefte müsse man umfangreiche Hausaufgaben lösen, an die Fachlehrer schicken, die diese dann korrigieren und benoten würden. Die Ergebnisse der benoteten Hausaufgaben würden am Ende die Punktzahl für das Abitur und die Zulassung für die Prüfung ergeben. Um überhaupt für die Abiturprüfung zugelassen zu werden, müsse ein gewisser Notendurchschnitt erreicht werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schreiben vom 2.1.2007 verwiesen (Bl. 80 ff. der KiG-Akte).

Mit Schreiben vom 10.5.2007 forderte die Beklagte eine Bescheinigung über die regelmäßige Einreichung von Hausarbeiten zur Korrektur bei der Fernschule an. Die Beklagte hatte sich bei der I über die Ausbildung der Tochter erkundigt. Nach Auskunft der I vom 15.6.2007 (s. Aktenvermerk vom 15.6.2007, Bl. 118 RS der KiG-Akte) seien 179 Arbeiten einzureichen, um in der vorgesehenen Zeit bis zum 1.8.2008 das Abitur abschließen zu können. Tatsächlich seien aber nur 17 Arbeiten eingereicht worden. Zum Zeitpunkt der Anfrage hätte die Tochter der Klägerin fast die Hälfte mindestens jedoch ein Drittel der Arbeiten vorlegen müssen. In der Zeit von September 2006 bis Mai 2007 seien überhaupt keine Arbeiten eingereicht worden.

Nach dieser Auskunft bat die Beklagte um Beantwortung folgender Fragen:

  1. Wann bzw. in welchen Monaten hat ihre Tochter diese Arbeiten eingereicht?
  2. Wird Ihre Tochter das Fernabitur in dem vorgesehenen Zeitraum absolvieren?
  3. Warum hat Ihre Tochter bisher nur eine geringe Anzahl von Arbeiten eingereicht? Gab es Zeiträume, in denen Ihre Tochter keine Arbeiten eingereicht hat bzw. einreichen konnte (Angaben von Gründen erforderlich)?

In einem Schreiben vom 1.7.2007 teilte die Tochter der Klägerin mit, dass ihr Vater über einen längeren Zeitraum schwer erkrankt gewesen sei und dieser Umstand sie aus der „Bahn geworfen” habe. Darüber hinaus gebe es bei der I keine Regeln, eine bestimmte Anzahl von Arbeiten in einem bestimmten Zeitraum einzureichen. Sie könne daher so viele Arbeiten lösen, wie sie möchte.

Mit Einspruchsentscheidung vom 7.8.2007 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung (Bl. 53 ff. der KiG-Akte) wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.

Mit der hier vorliegenden Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren – Kindergeld ab Februar 2006 festzusetzen – weiter. Zur Begründung vertritt sie die Ansicht, dass der von der Tochter besuchte Fernlehrgang am I „Abitur mit Englisch und Latein” eine Berufsausbildung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG darstelle. Der Abiturlehrgang bestehe in Anlehnung der Organisationsform der Gymnasien aus der Sekundarstufe I und II. Der Lehrgang werde außerdem durch eine schriftliche freiwillige Zwischenprüfung gegliedert, die am Ende der Sekundarstufe I abgelegt werden könne. Die ...

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