Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertretung einer gelöschten britischen Limited mit Zweigniederlassung in Deutschland

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Eine aufgelöste britische Limited ist trotz der konstitutiv wirkenden Löschung im britischen Handelsregister beteiligtenfähig.

2) Für die Beteiligtenfähigkeit ist unerheblich, ob die Limited noch Vermögen in Deutschland hat und ob dadurch nach zivilrechtlicher Rechtsprechung eine sog. Rest- oder Spaltgesellschaft entsteht.

3) Der Geschäftsführer der gelöschten Limited ist für die Limited bzw. eine hiervon möglicherweise zu unterscheidende Rest- oder Spaltgesellschaft nicht mehr aktiv klagebefugt; eine aktive Vertretungsmacht ergibt sich auch nicht daraus, dass noch eine Zweigniederlassung mit einzelvertretungsberechtigtem Geschäftsführer und ständigem Vertreter der Zweigniederlassung beim Amtsgericht eingetragen ist.

 

Normenkette

FGO §§ 58, 62; GmbHG §§ 35, 66 Abs. 5; AktG § 273 Abs. 4; HGB § 15; ZPO §§ 57-58; FGO § 57

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten vorrangig über die Frage, ob gegenüber einer zwischenzeitlich erloschenen britischen Limited wirksam Schätzungsbescheide sowie Einspruchsentscheidungen ergangen sind und ob der frühere Geschäftsführer der Klägerin die Feststellung der Unwirksamkeit bzw. deren Aufhebung beantragen kann. Nachrangig streiten sie über die den Schätzungsbescheiden zugrunde gelegten Besteuerungsgrundlagen.

Die Klägerin war eine im britischen Handelsregister (Registrar of Companies for England and Wales, No. 1) eingetragene Private Limited Company – Limited – britischen Rechts (Kapitalgesellschaft mit beschränkter Haftung). Sie wurde am … Oktober 2008 gegründet (Date of Incorporation: …/10/2008). Alleiniger Gesellschafter – nachfolgend „Anteilseigner” – war ausweislich der vom Beklagten geführten Vertragsakte sowie der Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung Herr A1 mit Wohnsitz in B (Italien) mit 100 Anteilen je 1 €; das Stammkapital betrug insgesamt 100 €. Zum alleinigen director – nachfolgend „Geschäftsführer” – wurde Herr A mit Wohnsitz in G (Deutschland) bzw. – aktuell – M (Deutschland) bestellt.

Unternehmensgegenstand der Klägerin war der Import und Export von … Handelswaren mit Ausnahme erlaubnispflichtiger Tätigkeiten. Ausweislich einer im März 2011 durchgeführten Umsatzsteuernachschau wurde mit … aus Italien gehandelt, wobei der Anteilseigner die Kontakte zu italienischen Lieferanten pflegte und der Geschäftsführer die Lieferungen zu Kunden im … (Deutschland) organisierte.

In der Folgezeit meldete die Klägerin eine Zweigniederlassung in G an. Nach dem Gesellschafterbeschluss des Anteilseigners vom 20. Juli 2009 (Vertragsakte) wurde beschlossen, eine Zweigniederlassung in G mit dem Geschäftsführer als alleinvertretungsberechtigtem Geschäftsführer zu gründen. Anschließend meldete die Klägerin die Zweigniederlassung zum Handelsregister an und mietete Räume in der D-Straße in G. Am 3. September 2009 wurde die Zweigniederlassung in das Handelsregister beim Amtsgericht G (HRB 2) mit Herrn A als einzelvertretungsberechtigtem Geschäftsführer und ständigem Vertreter der Zweigniederlassung eingetragen.

Am 15. Dezember 2010 meldete die Klägerin, vertreten durch den Geschäftsführer, eine Verlegung der Zweigniederlassung von G nach M (P-Straße …; neuer Mietvertrag und Gewerbeummeldung ab dem 1. Oktober 2010) beim Beklagten und bei der Stadt M an.

Am 9. August 2011 wurde die Klägerin ausweislich eines Auszugs aus dem britischen Handelsregister aufgelöst (Status: „Dissolved”; siehe Registerauszug gem. Blatt – Bl. – 73 der Gerichtsakte).

Im darauf folgenden Monat, am 19. September 2011, wurde die Zweigniederlassung – obwohl die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits im britischen Handelsregister gelöscht worden war – im Handelsregister des Amtsgerichts M (HRB 3) eingetragen (siehe Registerauszug gem. Bl. 76 der Gerichtsakte). Die Eintragung im Handelsregister beim Amtsgericht G wurde gelöscht (siehe Registerauszug Bl. 75 der Gerichtsakte). Eine Löschung der Zweigniederlassung im Handelsregister des Amtsgerichts M ist bislang nicht erfolgt.

Mit Bescheid vom 24. Oktober 2011 schätzte der Beklagte mangels eingereichten Jahresabschlusses oder Steuererklärung die Besteuerungsgrundlagen zur Körperschaftsteuer 2009 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der Bescheid war an den Geschäftsführer „als gesetzlicher Vertreter von Firma F LTD, P-Straße …, … M” adressiert. Einen Hinweis auf die Löschung der Limited oder auf einen Rechtsnachfolger enthielt der Bescheid nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den in der Körperschaftsteuerakte befindlichen Bescheid verwiesen.

Mit Gewerbe-Abmeldung vom 25. März 2013 teilte der Geschäftsführer der Stadt M mit, dass die Klägerin (Zweigniederlassung) ihren Geschäftsbetrieb an diesem Tage eingestellt habe (Bl. 26 der Gerichtsakte). Im August 2013 teilte er dies ausweislich der Körperschaftsteuerakte auch dem Beklagten mit.

Der Vorbehalt der Nachprüfung zum Körperschaftsteuerbescheid 2009 wurde durch Bescheid vom 14. April 201...

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