Entscheidungsstichwort (Thema)

Abschirmungskosten an Eigentumswohnung gegen hochfrequente Strahlung als außergewöhnliche Belastungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Kosten einer an der eigenen Wohnung durchgeführten Hochfrequenzabschirmung gegen stark auffällige und aus baubiologischer Sicht nicht mehr zu akzeptierende Mobilfunkstrahlung sind bei Vorlage einer privatgutachtlichen ärztlichen Bescheinigung als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen. § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV ist auf Umbaumaßnahmen nicht anzuwenden.

 

Normenkette

EStDV § 64 Abs. 1 Nr. 2; EStG § 33

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung des Jahres 2009 Kosten für in der Wohnung der Klägerin durchgeführten Hochfrequenzabschirmungen an der äußeren Gebäudehülle sowie im Bodenbereich der Wohnung in Höhe von 17.075,– EUR als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden müssen.

Die Klägerin machte entsprechende Kosten in ihrer Steuererklärung geltend. Der Beklagte berücksichtigte diese allerdings im Steuerbescheid vom 17.11.2010 nicht, da kein amtsärztliches Gutachten vorgelegt worden sei.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Einspruch vom 30.11.2010. Zur Begründung verwies sie auf ein Urteil des BFH (Az. VI R 17/09), wonach im Vorfeld zu einer medizinischen Maßnahme kein amtsärztliches Attest notwendig sei. Weiterhin kündigte sie an, sich am 13.12.2010 einer amtsärztlichen Untersuchung unterziehen zu wollen.

Ein sich hieraus ergebendes amtsärztliches Attest wurde allerdings nicht zu den Akten gereicht. Vorgelegt wurden vielmehr zwei Privatgutachten.

Ausweislich eines von der Klägerin zu den Akten gereichten Gutachtens der Ärztin A vom 02.02.2009 litt die Klägerin seit 3 Jahren zunehmend unter Migräne und Tinnitus. Die Ärztin diagnostizierte insoweit eine ausgeprägte Elektrosensibilität. Die Ärztin wies daraufhin, dass nach Abschirmmaßnahmen in der früheren Mietwohnung (Abschaffung der Geräte mit hoher magnetischer Strahlung sowie Abschirmmaßnahmen gegenüber den Nachbarwohnungen) die Beschwerden schlagartig verschwunden seien. Insoweit sei es medizinisch notwendig, auch in der neu angeschafften Eigentumswohnung Abschirmmaßnahmen gegen Elektro-Hochfrequenzstrahlung durchzuführen. Ausweislich eines von der Klägerin zu den Akten gereichten Gutachtens des Ingenieurbüros für Baubiologie und Umwelttechnik vom 25.09.2009 ergebe sich aus Hochfrequenz-Immissionsmessungen vom 17.09.2009 im Rohbau der Eigentumswohnung der Klägerin, dass die gemessenen Immissionen von Mobilfunk-Basisstationen in die Kategorie „stark auffällig” fielen. Aus baubiologischer Sicht sei dies nicht mehr zu akzeptieren. Es bestehe Handlungsbedarf. Sanierungen sollten bald durchgeführt werden. Empfohlen wurde insofern die Ausstattung der äußeren Gebäudehülle mit einer Hochfrequenzabschirmung. Darüber hinaus sollten auch im Gebäude interne Abschirmungen im Bodenbereich eingebracht werden, um Hochfrequenzimmissionen aus den darunter liegenden Wohnungen von Geräten wie Radio, Fernsehen und Mobilfunk abzuschirmen.

Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 27.91.2911 als unbegründet zurück.

Zur Begründung führte er aus, dass die medizinische Notwendigkeit der Maßnahmen nicht nachgewiesen sei. Allein die Bescheinigung einer Gynäkologin reiche nicht aus. Da die Klägerin nicht offensichtlich behindert und weiterhin beschwerdefrei sei, sei eine medizinische Indikation für die Maßnahme nicht zu erkennen. Allenfalls könne von einer vorbeugenden Maßnahme ausgegangen werden, die jedoch nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sei. Darüberhinaus werde das Vorliegen von außergewöhnlichen Belastungen dadurch überdeckt, dass es sich bei den Baukosten um zusätzliche Herstellungskosten der Wohnung handele. Diese könnten im Falle der Vermietung steuerlich abgesetzt werden.

Hiergegen erhob die Klägerin am 02.02.2011 die vorliegende Klage.

Zur Begründung trug sie vor, dass die im Zusammenhang mit den durchgeführten Abschirmmaßnahmen entstandenen Kosten in Höhe von 17.075,– EUR außergewöhnliche Belastungen darstellten. Der BFH habe am 11.11.2010 in den Verfahren VI R 16/09 und VI R 17/09 entschieden, dass es im Hinblick auf die medizinische Notwendigkeit entsprechender Maßnahmen nicht mehr auf ein amtsärztliches Attest ankomme. Insoweit seien die erforderlichen Feststellungen nunmehr von der Finanzverwaltung bzw. den Gerichten nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung selbst zu treffen. Die Notwendigkeit der Maßnahmen sei durch ein baubiologisches Gutachten sowie ein ärztliches Attest nachgewiesen worden. Es handele sich insoweit auch nicht um gesundheitsfördernde Vorsorgemaßnahmen. Allein der Umstand, dass bereits in der vormalig bewohnten Mietwohnung seit dem Jahr 2006 Abschirmmaßnahmen hätten ergriffen werden müssen, bestätige die medizinische Indikation. Da im Rahmen des Neubaus der Eigentumswohnung eine erneute Gesundheitsbeeinträchtigung als sicher angenommen werden musste, waren die Abschirmarbeiten als unerlässlic...

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