Entscheidungsstichwort (Thema)

Anhörungsrüge, rechtliches Gehör, Akteneinsichtsrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Die Anhörungsrüge gemäß § 133a FGO führt nicht dazu, dass das Finanzgericht die angegriffene Entscheidung in der Sache nochmals in vollem Umfang zu überprüfen hat.

2) Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird nicht verletzt, wenn das Gericht zeitnah über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entscheidet, ohne eine Stellungnahme des Antragstellers zur Antragserwiderung des Antragsgegners abzuwarten.

3) Ein Verstoß gegen das in § 78 FGO geregelte Akteneinsichtsrecht ist nicht gegeben, wenn ein Termin zur Akteneinsicht erst nach Zustellung der Gerichtsentscheidung vereinbart wird, obwohl zuvor dem Antrag auf Akteneinsicht dem Grunde nach stattgegeben und dem Kläger mitgeteilt wurde, dass die Akten zur Einsicht bereit liegen.

 

Normenkette

FGO § 114 Abs. 1, § 133a Abs. 1 S. 1, § 78

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 23.05.2019; Aktenzeichen 1 BvR 1724/18)

 

Tatbestand

I.

Mit Beschluss vom 24.05.2018 hat der Senat im Verfahren 12 V 827/18 den Antrag des Antragstellers, im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Antragsgegners aufzuheben sowie die auf einem Beitreibungsersuchen gemäß EU-Beitreibungsgesetz (EUBeitrG) durch den griechischen Staat basierenden Vollstreckungsmaßnahmen im Übrigen einzustellen, abgelehnt. Der Senat hat insoweit ausgeführt, dass weder das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs noch eines Anordnungsgrundes i.S.d. § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO schlüssig dargelegt und hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen glaubhaft gemacht worden sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 24.05.2018 verwiesen.

Mit Schreiben vom 06.06.2018 hat der Antragsteller die vorliegende Anhörungsrüge erhoben. Er macht geltend, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei dadurch verletzt worden, dass ihm die Antragserwiderung des Antragsgegners vom 18.05.2018 erst am 23.05.2018 übersandt worden sei und er keine Gelegenheit gehabt habe, vor Beschlussfassung hierzu Stellung zu nehmen. Der Antragserwiderung sei erstmals der gesamte Korrespondenzschriftverkehr zwischen der griechischen Finanzbehörde und dem vormals zuständigen Finanzamt … beigefügt gewesen. Zuvor hätten ihm lediglich ins Deutsche übersetzte Auszüge der Antworten vorgelegen. Zudem sei ihm auch das Recht auf Akteneinsicht faktisch verwehrt worden. Zwar sei seinem Antrag auf Akteneinsicht seitens des Gerichts dem Grunde nach stattgegeben und mit Schreiben vom 15.05.2018 auch mitgeteilt worden, dass die Akten nunmehr zur Einsichtnahme vorliegen würden. Eine konkrete Frist sei aber nicht gesetzt worden, woraufhin ein Termin zur Einsichtnahme für den 28.05.2018 vereinbart worden sei. Der Beschluss sei verfasst worden, ohne diesen Termin abzuwarten. Wenn das Gericht die Antragserwiderung nebst Anlagen schon nicht zeitnah vor seiner Entscheidung weiterleite, hätte es zwingend die Durchführung der Akteneinsicht abwarten müssen. Die Kenntnis des vollständigen Schriftverkehrs zwischen der griechischen Finanzbehörde und dem Finanzamt … sei auch entscheidungserheblich, da sich hieraus ergebe, dass die der Vollstreckung zugrunde liegenden Forderungen durch Herrn G angefochten wurden (Ziffer 20 Abs. 5 vom 13.05.2014) und das Verfahren noch anhängig sei (Ziffer 20 Abs. 3 vom 23.02.2016). Hieraus würde sich „zwingend” ergeben, dass das Beitreibungsverfahren gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 EU-BeitrG „derzeit auszusetzen” sei. Im Übrigen habe das Gericht auch die –immerhin strafbewehrte– eidesstattliche Versicherung, wonach ihm weder der Umsatzsteuerbescheid gegen die E1 noch ein gesonderter Haftungsbescheid, eine Zahlungsaufforderung oder eine Vollstreckungsankündigung bekannt gegeben worden sei, in keiner Weise beachtet. Aus dem nunmehr vorliegenden Schriftverkehr ergebe sich, dass offensichtlich auch das Finanzamt … „erhebliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Vollstreckung” gehabt habe (Ziffer 20 vom 25.07.2016). Darüber hinaus habe er erstmals im Rahmen der Einsichtnahme in die Akten des Finanzamts davon Kenntnis erlangt, dass auch das Amtsgericht F hinsichtlich der vom Antragsgegner beantragten Eintragung einer Sicherungshypothek erhebliche Bedenken hinsichtlich der Existenz einer „Operational Recovery Unit” geäußert habe. Schließlich hätte ihm das Gericht auch Gelegenheit geben müssen, zu den im Beschluss geäußerten Einwendungen hinsichtlich der Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Vermögensverhältnisse Stellung zu nehmen, zumal er auch diese strafbewehrt eidesstattlich versichert habe. Nach alldem sei nicht ausgeschlossen, dass das Gericht ohne die Verletzung der Gewährung des rechtlichen Gehörs zu einer anderen, für ihn günstigeren Entscheidung gekommen wäre. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 06.06.2018 verwiesen.

Nach einem Aktenvermerk des Vorsitzenden Richters des Senates, …, ist der Beschluss in der Sache 12 V 827/18 vom 24.05.2018 am 25.05.2018 um 10.23 Uhr per Fa...

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