Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Anspruch auf isolierte Aufhebung der Einspruchsentscheidung, falls sich im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens Musterverfahren erledigen

 

Leitsatz (amtlich)

Erledigen sich im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens im Einspruchsverfahren genannte Musterverfahren, besteht kein Anspruch auf isolierte Aufhebung von Einspruchsentscheidungen. In diesem Fall fehlt ein berechtigtes Interesse an der isolierten Aufhebung der Einspruchsentscheidungen, da die jeweiligen Rechtsfragen geklärt sind. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO dient der Verfahrensökonomie, nicht jedoch einem Interesse der Steuerpflichtigen, ihren Fall möglichst lange "offen" zu halten.

Ein Anspruch auf eine isolierte Aufhebung von Einspruchsentscheidungen, um in die verfahrensrechtliche Position eines Einspruchsverfahrens zu gelangen, besteht nicht. Dies gilt auch für die Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes.

Nach Erledigung von Musterverfahren kann der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt werden, um unnötige Kosten zu vermeiden.

Eine Berücksichtigung der Krankenversicherungsbeiträge für Jahre vor 2010 ist im Hinblick auf den Beschluss des BVerfG vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06 (BVerfGE 120, 125) über die seinerzeit geltenden Regelungen nicht gegeben. Die Anordnung der Weitergeltung der gesetzlichen Regelungen hat Gesetzeskraft. Eine weitere verfassungsgerichtliche Prüfung dieser Vorschriften kommt nicht in Betracht.

Beiträge zur Arbeitslosenversicherung können nicht über den geltenden Sonderausgabenabzug hinaus berücksichtigt werden. Sie sind nicht einem negativen Progressionsvorbehalt zuzuordnen.

 

Normenkette

AO § 363 Abs. 2 S. 2; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 32 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a; BVerfGG § 79 Abs. 2, § 31 Abs. 2; FGO § 74

 

Tatbestand

Die Kläger begehren die isolierte Aufhebung von Einspruchsentscheidungen und, hilfsweise, die Änderung der Einkommensteuerbescheide.

Die Kläger sind Eheleute, die in den Streitjahren zusammen veranlagt wurden. Sie haben gemeinsam einen leiblichen Sohn (geboren am …….). Der Kläger ist zudem Vater eines am ……. geborenen Sohnes, der nicht bei den Klägern untergebracht war. Der Kläger erzielte im Wesentlichen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Des Weiteren erzielte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb (1989, 1992-1997, 1999), selbstständiger Arbeit (1984-1999), Vermietung und Verpachtung (1984, 1986-1994, 1996-1999), Kapitalvermögen (1991, 1992) und sonstige Einkünfte (1999). Die Klägerin erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb (1984, 1985, 1991), selbständiger Arbeit (1992-1997, 1999) und aus Vermietung und Verpachtung (1984-1986, 1989-1994, 1996-1999). Kinderbetreuungskosten machten die Kläger in den Streitjahren nicht geltend.

Der Kläger leistete in den Streitjahren Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (KV) und zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung (AV), wobei die Kläger insgesamt höhere Versicherungsbeiträge (VB) geltend machten, wie folgt:

Jahr

KV

AV

VB (insgesamt)

1984

3.276,00 DM

1.435,20 DM

15.761 DM

1985

3.402,00 DM

1.368,90 DM

19.023 DM

1986

3.528,00 DM

1.344,00 DM

19.203 DM

1988

3.780,00 DM

1.548,00 DM

20.539 DM

1989

3.843,00 DM

1.573,80 DM

15.688 DM

1991

4.387,50 DM

2.408,25 DM

24.264 DM

1992

4.590,00 DM

2.570,40 DM

16.998 DM

1993

4.341,60 DM

2.808,00 DM

18.737 DM

1994

4.582,80 DM

2.964,00 DM

21.527 DM

1995

4.633,20 DM

3.042,00 DM

28.030 DM

1996

4.788,00 DM

3.120,00 DM

29.052 DM

1997

4.907,70 DM

3.198,00 DM

27.854 DM

1998

5.027,40 DM

3.276,00 DM

27.704 DM

1999

3.171,11 DM

1.515,61 DM

9.548 DM.

Das Finanzamt A (für 1984 und 1985), anschließend das Finanzamt Hamburg-1 (1986 bis 1995) und danach der Beklagte erließen Einkommensteuerbescheide für folgende Jahre, gegen die die Kläger Einspruch einlegten:

Jahr

Bescheid vom

Einspruch vom

1984

27.06.1985

01.07.1985

1985

16.06.1986

19.06.1986

1986

09.05.1988

13.05.1988

1988

10.08.1990

05.09.1990

1989

12.11.1990

20.11.1990

1991

05.01.1994

13.01.1994

1992

28.02.1994

23.03.1994

1993

09.01.1996

16.01.1996

1994

07.11.1996

13.11.1996

1995

12.09.1997

09.10.1997

1996

17.11.1997

19.11.1997

1997

09.07.1999

02.08.1999

1998

06.12.1999

23.12.1999

1999

09.07.2001

17.07.2001.

Im Rahmen der Einspruchsverfahren erließen das Finanzamt Hamburg-1 (1984, 1989, 1992, 1993, 1994) und der Beklagte zuletzt geänderte Einkommensteuerbescheide wie folgt:

Jahr

geänderter Bescheid vom

1984

05.08.1992

1985

29.04.2002

1986

29.04.2002

1988

09.07.2001

1989

08.02.1991

1991

09.07.2001

1992

15.02.1996

1993

20.02.1996

1994

02.12.1996

1995

09.07.2001

1999

11.03.2002.

Die Bescheide ergingen zum Teil vorläufig, unter anderem die Bescheide für 1991 bis 1996 wegen der beschränkten Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3 Einkommensteuergesetz - EStG -).

Die Kläger begründeten ihre Einsprüche im Wesentlichen damit, dass die angewendeten Steuergesetze nicht rechtmäßig seien. Beispielsweise wendeten sich die Kläger gegen die Struktur der Einkommensteuer und der damit verbundenen Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen als auch der Steuerlast (198...

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