Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit eines Feststellungs-Ergänzungsbescheides

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Feststellungs-Ergänzungsbescheid kann auch nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist ergehen, wenn offen ist, ob alle abhängigen Steuern wegen Verjährung erloschen sind.

2. Es ist kein Machtmissbrauch (détournement de pouvoir), wenn das Personen-Finanzamt den rechtzeitigen Erlass eines Ergänzungsbescheides anregt.

 

Normenkette

AO §§ 171, 175, 179, 180 Abs. 3, §§ 181-182

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt war, im Jahr 1993 nachträglich für die Streitjahre mittels negativer Feststellungsbescheide festzustellen, dass die Mutter der Kläger, Frau ... (W), nicht Mitunternehmerin der Vermögens- und Grundstücksverwaltungsgesellschaft W... KG (KG) war.

Die Kläger zu 1) bis 3) sind Kinder und Erben der verstorbenen Frau W (W); der Kläger zu 3) ist gleichzeitig Testamentsvollstrecker. Frau W wurde beim Finanzamt D steuerlich geführt, der Beklagte war und ist zuständig für die Besteuerung der KG.

Frau W war bis 1973 neben der ... Gesellschaft mbH (V) Gesellschafterin der bis dahin als OHG bestehenden KG. Im Zusammenhang mit einer erbschaftsteuerlich motivierten Umstrukturierung schied Frau W zum 1.6.1973 aus. An ihrer Stelle traten ihre Kinder, die Kläger 1 - 3, als Kommanditisten ein. V blieb persönlich haftende Gesellschafterin der fortan als Kommanditgesellschaft bestehenden Gesellschaft. Gleichzeitig erteilten die Kläger als Kommanditisten Frau W unwiderrufliche Stimmrechtsvollmachten bezüglich der Kommanditanteile, deren zivilrechtliche Wirksamkeit zwischen den Gesellschaftern später streitig wurde.

Frau W hatte 1968 und 1970 mehrere Grundstücke in die KG eingebracht und sich den Nießbrauch vorbehalten. Der Nießbrauch wurde später privatschriftlich zum Ausgleich einer Grundstückbelastung auf Beteiligungserträge, Erbbauzinsen und andere Surrogate erweitert. Aufgrund dieser Berechtigung erhielt Frau W Zahlungen von der KG, die Grundstückserträge, Kapitalerträge und Beteiligungserträge enthielten. Sie betrugen in den Streitjahren:

1977

493.238 DM

1978

181.510 DM

1979

383.577 DM

1980

531.343 DM

1981

551.689 DM

1982

573.168 DM

In den Jahren 1982 und 1983 reichte die KG die vom Kläger zu 3 unterzeichneten Steuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 1976 bis 1982 ein. Darin führte sie V und die Kläger 1 bis 3 als Mitunternehmer auf und verteilte die Gewinne bzw. Verluste anteilig auf diese. Die Nießbrauchs-Zahlungen an Frau W wurden als Betriebsausgaben der KG behandelt. Der Beklagte erteilte - im Wesentlichen erklärungsgemäß - Gewinnfeststellungsbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung für die Streitjahre, und zwar

am

für die Veranlagungszeiträume

31.03.1983

1977 bis 1979

27.09.1983

1980

04.02.1987

1981 und 1982

Ein entsprechender Bescheid für 1976 erging am 18.01.1983; dieser war Gegenstand des Verfahrens V 199/97.

In den beim zuständigen FA ... (D) eingereichten ESt-Erklärungen der Frau W für 1977 bis 1983 ist jeweils eine Anlage V enthalten, in der neben den Einkünften aus dem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Haus X-Straße, in D, in der Zeile mit der Bezeichnung "Anteile an Einkünften aus Vermietung und Verpachtung" angegeben ist: "Nießbrauch an diversen Grundstücken der W KG, Hamburg Hamburg - ... St.Nr...." und in der dazugehörigen Betragsspalte: "von Amts wegen zu berücksichtigen". Abweichend hiervon war in der 1977 eingereichten Einkommensteuererklärung der Frau W für 1976 unter der Rubrik "Einkünfte aus Gewerbebetrieb" erklärt: "Gewinn als Mitunternehmer der Firma Vermögens- und Grundstücksverwaltungsgesellschaft ... W KG Hamburg, Finanzamt Hamburg ... St.-Nr. ...: von Amts wegen zu berücksichtigen".

Das Finanzamt D berücksichtigte bei der ESt-Veranlagung von Frau W für die Streitjahre jeweils Nießbrauchseinkünfte von 50.000 DM und vermerkte in den Anlagen zu den Bescheiden "Die Nießbrauchseinkünfte wurden wie im Vorjahr auf 50.000 DM geschätzt".

Mit Schreiben vom 02.05.1984 wandte sich der Kläger zu 3 als Vertreter von Frau W wegen der Nießbrauchseinkünfte an das FA D und teilte u.a. mit: "Die Erträge ab 1977 werden sich u.U. noch verändern durch eine inzwischen begonnene weitere Betriebsprüfung des FA Hamburg-..., deren Ergebnisse Ihnen anschließend mitgeteilt werden. Bitte berücksichtigen Sie bei den Berichtigungsveranlagungen für 1974 ff. sowohl die bisher geschätzten je DM 50.000,- p.a. als auch den Verlustvortrag aus den Jahren 1972 und 1973."

Vom November 1983 bis März 1989 führte der Beklagte eine Betriebsprüfung bei der KG für die Jahre 1976 bis 1982 durch. Die Prüfung wurde unter dem 20.10.1983 zunächst für 1980 bis 1982 angeordnet und unter dem 29.11.1984 auf die Jahre 1976 bis 1979 erweitert. Aufgrund dieser Außenprüfung erließ der Beklagte am 15.6.1989 geänderte Feststellungsbescheide für die Streitjahre sowie für 1976 und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf; in den Änderungsbescheiden sind die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der KG weiterhin auf V und...

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