Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH IX B 115/17)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgabenordnung: Schätzung der Miete für Zimmer in sog. Modellwohnungen

 

Leitsatz (amtlich)

Liegen die Voraussetzungen für eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vor, begegnet es keinen Bedenken, in einer Großstadt von einer wöchentlichen Miete für ein Zimmer in einer sog. Modellwohnung von 350 € auszugehen. Die Besonderheiten des Einzelfalls können eine schätzweise Reduzierung der Marktmiete nahelegen (im Streitfall auf 300 €), beispielsweise wenn unbefristete schriftliche Mietverträge abgeschlossen werden, die für eine längerfristige vertragliche Bindung sprechen können.

 

Normenkette

AO § 162; EStG § 4 Abs. 3; UStG § 22

 

Tatbestand

Streitig sind nach einer Außenprüfung ergangene Änderungsbescheide über Einkommensteuer.

Der Kläger vermietete in den Streitjahren 2010 bis 2012 möblierte Zimmer in von ihm angemieteten sog. Modellwohnungen an Prostituierte, die dort ihrer Tätigkeit nachgingen. Es handelte sich um folgende Objekte:

U-Weg

(2 Zimmer bis 30. Juni 2011, danach 3 Zimmer)

V-Straße

(2 Zimmer)

W-Straße

(5 Zimmer bis 30. April 2012)

X-Straße

(3 Zimmer bis 31. August 2010)

Y-Straße

(3 Zimmer ab 1. Januar 2011)

Z-Straße

(1 Zimmer vom 1. März bis 31. Mai 2012;

2 Zimmer im Juni 2012)

Er erklärte insoweit Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, basierend auf einer Zimmermiete von 750 € bzw. 600 € monatlich pro Zimmer. Ab 2013 stellte er die Miete auf eine tägliche Zahlweise von 50 € pro Tag um.

Am 8. September 2014 ordnete der Beklagte eine Außenprüfung für die Streitjahre betreffend Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer an.

Danach sah der Beklagte die Voraussetzungen für eine (Zu)Schätzung als erfüllt an, weil der Kläger keine Aufzeichnungen und kein Kassenbuch habe vorlegen können. Aufgrund von Zeugenaussagen der Untermieterinnen gegenüber der Finanzkontrolle Schwarzarbeit ging der Beklagte davon aus, dass höhere Mieten als in den schriftlichen Untermietverträgen ausgewiesen erzielt worden waren, und zwar 350,00 € pro Woche pro Zimmer. Zudem sah er die Überlassung der Räumlichkeiten als gewerbliche Zimmervermietung an, weil über eine normale Vermietung hinausgehende Leistungen erbracht worden seien und unterwarf die Leistungen auch der Umsatzsteuer (wegen der Einzelheiten wird auf den Außenprüfungsbericht vom 27. Mai 2015 Bezug genommen).

Unter dem 15. Juni 2015 ergingen geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, ein erstmaliger Einkommensteuerbescheid für 2012 und erstmalige Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für die Streitjahre, die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31. Dezember 2010 und ferner über Umsatzsteuer. Hiergegen richteten sich die Einsprüche vom 25. Juni 2015, die mit Entscheidung vom 12. November 2015 zurückgewiesen wurden. Am 10. Dezember 2015 hat der Kläger Klage erhoben.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die formellen Buchführungsmängel nicht zu einer Schätzung berechtigten. Jedenfalls sei die Schätzung unzutreffend, weil lediglich die vertragsgemäße Miete gezahlt worden sei. Der Beklagte habe zu Unrecht Aussagen von Mieterinnen bei seiner Schätzung berücksichtigt. Die "Auskünfte" seien widersprüchlich und während unzulässiger Befragungen anlässlich polizeilicher Überprüfungen erfolgt; eine ordnungsgemäße Belehrung habe nicht stattgefunden.

Nachdem der Beklagte dem Begehren des Klägers hinsichtlich der Gewerbesteuermessbeträge und der Umsatzsteuer durch Aufhebung der Bescheide entsprochen hat und das Verfahren insoweit abgetrennt worden ist,

beantragt der Kläger,

die Einkommensteuerbescheide für 2010 bis 2012 vom 15. Juni 2015 und die Einspruchsentscheidung vom 12. November 2015 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Mieteinnahmen wie erklärt berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte sieht die Voraussetzungen für eine Schätzung als erfüllt an, weil keinerlei Dokumentation der Bargeschäfte vorgenommen worden sei. Die Schätzung sei auch der Höhe nach rechtmäßig.

Der Senat hat mit Beschluss vom 5. Januar 2017 den Rechtsstreit gem. § 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) der Einzelrichterin übertragen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen A, B, C und D; die Zeugin E ist schriftlich befragt worden; insoweit haben die Beteiligten auf eine mündliche Befragung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften über den Erörterungstermin vom 27. Juli 2016 und über die mündlichen Verhandlungen vom 1. März, 29. Juni und 15. August 2017 Bezug genommen.

...

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat teilweise Erfolg.

Die Voraussetzungen für eine (Zu)Schätzung sind dem Grunde nach erfüllt (dazu 1.), die Schätzung ist jedoch der Höhe nach rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (dazu 2.), die Einkommensteuer ist in den Streitjahren 2010 und 2012 herabzusetzen (dazu 3.).

1. Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 162 Abs. 1 der Abgabenord...

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