Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbschaftsteuer: Optionsfrist für rückwirkende Anwendung des ErbStG

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Antragsfrist für die rückwirkende Anwendung des ErbStG 2009 auf Altfälle aus 2007-2008 gemäß Art. 3 i. V. m. Art. 6 ErbStRG - hier zwecks Steuerbefreiung für Familienheim - handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist ohne Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

 

Normenkette

ErbStG § 13 Abs. 1 Nr. 4c, § 37; ErbStRG Art. 3, 6; GG Art. 3, 19-20, 103

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt für die von ihrer Mutter am ... 2007 geerbten Familienheim-Anteile die Befreiung von der Erbschaftsteuer gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG 2009 aufgrund eines erst am 24. Juli 2009 gestellten Antrags auf rückwirkende Anwendung des ErbStG 2009 gemäß § Art. 3 Abs. 1 Erbschaftsteuerreformgesetz (ErbStRG, BGBl I 2009, 3018, BStBl I 2009, 67).

I.  

1. Die Mutter der Klägerin lebte in dem Einfamilienhaus, dessen Wohnfläche weniger als 200 qm umfasste. Der Anteil der Erblasserin an dem Einfamilienhaus-Grundstück - neben ihrem Ehemann - betrug 75 % (ErbSt-A Bl. 2, 7, 8, (R, 13, 15 f., 21).

2. Mit dem Tod der Mutter am ... 2007 wurde die Klägerin laut Erbschein vom ... 2007 Alleinerbin (ErbSt-A Bl. 3).

3. Sie zog in das Einfamilienhaus (ErbSt-A Bl. 2, 9, 15 ff., 21).

II.  

1. Die Erbschaftsteuererklärung ging am 30. Mai 2008 beim beklagten Finanzamt (FA) ein (ErbSt-A Bl. 8 ff., 13).

2. Nach Anforderung der Erbschaftsteuerstelle vom 17. Juni 2008 an die Bewertungsstelle des FA bewertete letztere mit Bescheid vom 26. August 2008 das Einfamilienhaus-Grundstück auf 476.000 Euro und den davon auf die Klägerin übergegangenen 3/4-Anteil auf 357.000 Euro (ErbSt-A Bl. 15, 16).

3. Dem Erbschaftsteuerbescheid vom 09. Juli 2009 legte das FA diesen Wert - neben berücksichtigten Kontoguthaben und Schulden - bei der Berechnung des Erwerbs von Todes zugrunde (ErbSt-A Bl. 18 ff. i. V. m. 8R, 10 ff., 14, 16).

4. Mit Einspruch vom 23., eingegangen 24. Juli 2009 nebst weiterer Begründung vom 31. August, eingegangen 01. September 2009 beantragte die Klägerin rückwirkend Anwendung des neuen Erbschaftsteuerrechts mit Steuerfreistellung des jetzt von ihr (der Klägerin) bewohnten Familienheims verbunden mit Wiedereinsetzung nach § 110 AO. Sie (die Klägerin) habe den bis 30. Juni 2009 befristeten Wahlantrag nicht mehr rechtzeitig stellen können, nachdem sie den Erbschaftsteuerbescheid erst im Juli erhalten habe. Sie habe in dem Erbschaftsteuer-Erklärungsformular auch keinen Hinweis auf die Möglichkeit eines solchen Antrags gefunden. Amtspflichtwidrig habe das FA nicht auf das Wahlrecht hingewiesen, während sie noch keinen Steuerberater gehabt habe. Der zeitliche Ablauf sei geeignet, das Vertrauen der Steuerbürger in die Finanzverwaltung zu erschüttern (ErbSt-A Bl. 21, 32 f.).

5. Nach Schreiben des FA vom 05. und 26. August sowie 08. September 2009 einschließlich Ankündigung der Verböserung wegen zu hoch berücksichtigter Schulden wies das FA den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 2012 (per einfacher Post) als unbegründet zurück und erhöhte die Erbschaftsteuer, indem es die Schulden nur noch in Höhe des - unstreitig - allein zu 75 % auf die Klägerin entfallenden Anteils berücksichtigte. Der Antrag auf Anwendung des ErbStG n. F. nach Art. 3 Abs. 1 ErbStRG sei nicht innerhalb der Frist des Art. 6 Abs. 3 ErbStRG bis Ende Juni 2009 gestellt worden. Es handele sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist, durch die der Gesetzgeber das Antragsrecht nur in engen zeitlichen Grenzen eingeräumt habe (Hinweis auf Ländererlass vom 23.02.2009, BStBl I 2009, 446). Bei deren Versäumung sei die Vorschrift des § 110 AO über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht anwendbar. Im Übrigen sei ein Irrtum über das materielle Recht nicht entschuldigt, sondern sei dem Steuerpflichtigen zuzumuten, von seinen Rechten Gebrauch zu machen und sich darüber nach Gesetzesverkündung zu informieren. Davon abgesehen habe das FA vor hinreichender Bearbeitung der Veranlagung - wie hier - oder ohne einen sich dabei ihm unweigerlich aufdrängenden Fehler eines Steuerpflichtigen im steuerlichen Massenverfahren keinen Hinweis zu erwägen (ErbSt-A Bl. 25, 29 ff., 38, 42 ff., 49).

III. Zur Begründung der Klage vom 26., eingegangen am 29. Januar 2013 trägt die Klägerin im Wesentlichen vor (FG-A Bl. 1, 5, 14 ff., 18 ff.):

Über die Frage der Wiedereinsetzung bei Versäumung der Frist für den Antrag nach Art. 3 Abs. 1 ErbStRG habe der BFH bisher nicht entschieden (Hinweis auf Beschluss vom 21. November 2012 II B 78/12).

Die Frist sei eine Handlungsfrist ähnlich wie bei einer Rechtsbehelfsfrist. Im Übrigen würde auch eine Bezeichnung als Ausschlussfrist einer Wiedereinsetzung nicht entgegenstehen. Art. 3 Abs. 1 ErbStRG sei als materiell-rechtliche Verfahrensvorschrift wie andere Verfahrensvorschriften zu handhaben und im Übrigen als Steuergesetz im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4, Art. 103 GG verfassungskonform auszulegen. Im Unterschied zum beklagten FA bejahe die Fi...

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