Revision eingelegt (BFH X R 19/21)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Außenprüfung: Hinzuschätzung anhand der Richtsatzsammlung des BMF als externer Betriebsvergleich - hier: Gastronomiebetrieb

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Schätzung anhand der Richtsatzsammlung als externer Betriebsvergleich ist eine anerkannte Schätzungsmethode in Fällen, in denen ein interner Betriebsvergleich, etwa durch Nachkalkulation, mangels verlässlichen Zahlenmaterials nicht möglich ist.

2. Die in der Literatur aufgeworfene Kritik an der Richtsatzsammlung greift vor dem Hintergrund nicht durch, dass die Richtsatzsammlung keinen normativen Charakter hat, sondern lediglich ein Hilfsmittel ist, das von den Finanzgerichten im Rahmen ihrer richterlichen Würdigung nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls angewandt wird.

3. Gerade durch die große Spannbreite der Rohgewinnaufschlagsätze für Gastronomiebetriebe (im Streitjahr 2014 zwischen 186 % und 400 %) kommt der Berücksichtigung des Einzelfalls besondere Bedeutung zu, die die Kritik an der statistischen Erhebung der den Richtwerten zugrundeliegenden Daten zurücktreten lässt.

 

Normenkette

AO § 162

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 14.12.2022; Aktenzeichen X R 19/21)

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen Hinzuschätzungen des Beklagten im Rahmen einer in den Betrieben des Klägers durchgeführten Außenprüfung.

Der Kläger betrieb in den Streitjahren 2013 und 2014 die Diskothek "A" (X-Straße ...), das Lokal "B" (X-Straße ... - ab ... 2014) sowie die Bar "C" (Y-Straße - ab ... 2013).

Der Beklagte führte für die Streitjahre eine Außenprüfung in den Betrieben des Klägers durch. Neben zwischen den Beteiligten nicht streitigen Punkten traf der Betriebsprüfer in seinem Bericht vom 2. Januar 2018 Feststellungen zu den einzelnen Gastronomiebetrieben, ging von gravierenden Mängeln in der Kassenbuchführung aus und nahm diverse Hinzuschätzungen zu den erklärten Erlösen vor.

Der Kläger habe im "A" bis zu fünf offene Ladenkassen geführt. Die Tageseinnahmen seien jeweils auf einem Zettel notiert und zur buchhalterischen Erfassung weitergegeben worden. Kasseneinzelaufzeichnungen (Zählprotokolle) hätten nicht vorgelegen.

Neben diesen formellen Mängeln seien zudem Unstimmigkeiten im Verhältnis Wareneinkauf und erklärten Gesamtumsätzen aus dem Getränkeverkauf festzustellen. Aufgrund einer für die Monate Januar bis Mai 2013 durchgeführten Verprobung, bei der die gebuchten Eingangsrechnungen, deren Lieferdatum in diesem Zeitraum lag, mit den erklärten Umsätzen verglichen wurden, kam der Betriebsprüfer zu dem Ergebnis, dass nur ein geringer Anteil der möglichen Umsätze als Erlöse erklärt worden sei. Die Nachkalkulation anhand einer Getränkekarte für das Jahr 2015 habe einen Rohgewinnaufschlagssatz (RGAS) von 554,80 % ergeben. Unter Ansatz eines 10 %-igen Abschlages für Freigetränke, Personalverzehr und Schankverluste ergaben sich Hinzuschätzungsbeträge in Höhe von ... € (2013) und ... € (2014) sowie Entnahmewerte in Höhe von ... € (2013) und ... € (2014).

Des Weiteren nahm der Betriebsprüfer eine Hinzuschätzung bei den Eintrittserlösen im "A" vor, da er die erklärten Umsätze für nicht glaubhaft hielt. Die erklärten Eintrittserlöse ergäben bei 238 in den Streitjahren stattgefundenen Veranstaltungen ohne Berücksichtigung der Silvesterveranstaltungen einen durchschnittlichen Erlös von ... € pro Veranstaltung, was bei einem laut Internetrecherche anzusetzenden Eintrittspreis von ... € (brutto) zu lediglich 58 Eintrittszahlern führe. Dies sei bei einem für 321 Besucher behördlich zugelassen Lokal unglaubhaft. Der Betriebsprüfer ging - ausgehend von den aufgrund der Hinzuschätzung erhöhten Getränkeerlösen - von einem Getränkeumsatz von ... € pro vollzahlendem Gast aus und kam zu Hinzuschätzungswerten in Höhe von ... € (2013) und ... € (2014) sowie Entnahmewerten in Höhe von ... € (2013) und ... € (2014).

Schließlich nahm der Betriebsprüfer noch eine Hinzuschätzung bei den Garderobenumsätzen im "A" vor. Die erklärten Umsätze in Höhe von ... € für die Streitjahre seien nicht glaubhaft. So seien bei 238 Öffnungstagen lediglich an vier Tagen Erlöse von mehr als ... € erzielt worden. In den Wintermonaten habe der Umsatz teilweise unter ... € gelegen. Anknüpfend an die geschätzten Eintrittserlöse kam der Betriebsprüfer aufgrund einer angenommenen Inanspruchnahme des Garderobenservices durch 60 % der Gäste zu Hinzuschätzungsbeträgen in Höhe von ... € (2013) und ... € (2014) sowie Entnahmewerten in Höhe von ... € (2013) und ... € (2014).

Auch im "B" ging der Betriebsprüfer von schweren Buchführungsmängeln aus. So seien die Tagesgesamteinnahmen zwar über tägliche Z-Bons erfasst worden. Es hätten jedoch Zählprotokolle und weitere Unterlagen gefehlt. Nach Angaben des Klägers sei die verwendete Kasse der Firma D (XXX-1) bis Anfang 2017 in einem "Test-Modus" gelaufen, der eine Speicherung und somit entsprechende Aufzeichnungen nicht zugelassen habe. Aufgrund dieser formellen Mängel sei eine Hinzuschätzung bei den Getränkeerlösen...

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