Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallbedingter Mehraufwand im Rahmen der Einkunftsgrenze beim Kindergeld

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einem Kind, welches eine Unfallrente enthält, ist der Grenzbetrag gem. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG um den unfallbedingten Mehraufwand, den das Kind zu tragen hat, zu erhöhen. Ähnlich wie dem behinderten Kind behinderungsbedingter Mehrbedarf zugebilligt wird, muss dem verletzten Kind ein Mehrbedarf zugebilligt werden, der sich durch die Unfallfolgen ergibt.

 

Normenkette

EStG § 32

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.12.2009; Aktenzeichen III R 74/07)

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Kindergeld für das Kalenderjahr 2003. Insbesondere ist streitig, ob der Grenzbetrag der Einkünfte überschritten wurde.

Der Kläger ist Beamter der Freien und Hansestadt Hamburg. Für seine am ..... 1983 geborene Tochter (Frau J. H.) beantragte der Kläger am 30.09.2001 bei der Beklagten die Zahlung von Kindergeld über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus. Diesem Antrag gab die Beklagte statt.

Frau J. H. erlitt am 24.11.2001 einen Unfall, bei dem sie schwer verletzt wurde. Der Unfall ereignete sich auf dem Rückweg von der Schule. Die Tochter wurde von einem Auto angefahren. Sie erlitt ein offenes Hirntrauma, eine Gehirnblutung und weitere schwere Verletzungen. Sie lag deswegen mehrere Wochen im Krankenhaus und musste anschließend mehrere Therapien durchführen. Die Tochter konnte infolge des Unfalls den Anforderungen der Schule nicht mehr entsprechen und ließ sich beurlauben. Hierdurch hat sie insgesamt ein Schuljahr verloren und konnte ihre Abiturprüfung erst in 2004 statt, wie geplant, in 2003 ablegen.

Ein Gutachter stellte aufgrund der schweren Schädel-Hirn-Verletzung eine erheblich depressive Reaktion bei J. H. fest. In der Folge begab sich die Tochter bei einer Diplom-Psychologin in psychotherapeutische Behandlung. Die Therapie wurde zwei Mal wöchentlich durchgeführt. Auf Anregung der Therapeutin absolvierte die Tochter des Klägers einen mehrmonatigen Auslandsaufenthalt (April 2003 bis August 2003) in Schottland. Soweit der Aufenthalt in die Schulzeit fiel, wurde J. H. von der Schule beurlaubt.

Durch den Aufenthalt in Schottland sollte das Ziel verfolgt werden, das Selbstbewusstsein der Klägerin zu stärken, welches infolge des Unfalls geschwächt war. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichte Bescheinigung der behandelnden Psychologin vom 21.11.2005 (FGA Bl. 66) verwiesen.

Im Zusammenhang mit dem Aufenthalt in Schottland sind folgende Kosten entstanden:

Kosten für Organisation durch "S. I." in Höhe von 700 €

Wohnungskosten in Höhe von 1.260 €

Kosten für Verpflegungsmehraufwand in Höhe von 1.575 €

Flugkosten in Höhe von 500 €

Insgesamt in Höhe von 4.035 €

Eine Erstattung dieser Kosten durch die Landesunfallkasse erfolgte nicht, da nach Ansicht der Unfallversicherung die geltend gemachten Kosten nicht im Leistungskatalog der Unfallversicherung vorgesehen waren. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben der Landesunfallkasse vom 13.02.2007 (FGA Bl. 153) verwiesen.

In Schottland jobbte J. H. als Kellnerin. Dabei erzielt sie Einkünfte in Höhe von 573,58 €. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beweisaufnahme vom 12.10.2006 verwiesen.

Im Anschluss an den Auslandsaufenthalt besuchte J. H. aus Therapiezwecken eine Malschule, für die sie 120,00 € aufwenden musste. Für ihre Therapiestunden sind ihr Fahrtkosten in Höhe von 184,00 € entstanden.

Am 25.11.2003 erließ die Landesunfallkasse einen Bescheid über die Rente als vorläufige Entschädigung gegenüber der Tochter des Klägers, in dem die Höhe der zu zahlenden Verletztenrente festgesetzt wurde. Frau H. erhielt im Jahr 2003 eine Rentenzahlung in Höhe von insgesamt 10.047,35 €, wobei 4.516,26 € auf das Jahr 2003 und der Rest auf die Jahre 2001 und 2002 entfielen. Für das Jahr 2003 wurde im Rentenbescheid von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 40 % ausgegangen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Rentenbescheid vom 25.11.2003 verwiesen (FGA Bl. 6).

Durch Bescheid vom 16.06.2004 entzog die Beklagte dem Kläger das Kindergeld für das Jahr 2003 nachträglich wegen der Überschreitung der Einkunftsgrenze bei der Tochter im Kalenderjahr 2003. Das Gehalt des Klägers wurde in Höhe des zuvor gezahlten Kindergeldes von 1.848,00 € einbehalten.

Mit Schreiben vom 25.06.2004 legte der Kläger hiergegen Einspruch ein. Dieser wurde durch Einspruchsentscheidung vom 28.12.2004 von der Beklagten als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die am 26.01.2006 bei Gericht eingegangene Klage. Der Kläger trägt vor, dass der Grenzbetrag in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nur deshalb überschritten worden sei, weil die Rentenfestsetzung verzögert erfolgt sei. Dieser Umstand sei weder in der Person des Klägers noch in der Person seiner Tochter begründet. Wären die Renten für die Jahre 2001 und 2002 zeitnah festgesetzt und ausgezahlt worden, hätte der Kläger auch für 2003 einen Anspruch auf Kindergeld gehabt. Der Grenzbetrag wäre dann nicht überschrit...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge