Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer: Hinzuschätzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Erledigungserklärung kann wirksam in Verbindung mit einem Widerrufsvorbehalt als innerprozessuale Bedingung abgegeben werden.

2. Bei groben formellen Mängeln in der Kassenbuchführung besteht auch dann eine Schätzungsbefugnis, wenn keine materiellen Buchführungsmängel feststellbar sind.

3. Eine Hinzuschätzung von Umsatzerlösen kann bei fehlenden verlässlichen Schätzungsgrundlagen durch einen inneren Betriebsvergleich anhand der Werte der Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen als äußerer Betriebsvergleich erfolgen.

 

Normenkette

AO §§ 147, 158, 162; FGO § 96

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Hinzuschätzungen.

Der Kläger erwarb mit Vertrag vom ... 2008 mit Wirkung zum 1. Januar 2009 den Gastronomiebetrieb "A ..." in der X-Straße ... in Hamburg zu einem Kaufpreis von ... €. Zuvor war er als Betriebsleiter eines anderen B-Restaurants tätig gewesen. Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 des Vertrags war der Verkäufer verpflichtet, den Kläger im Zeitraum ab der Vertragsunterzeichnung bis zum 31. Dezember 2018 umfassend in die Betriebsabläufe einzuarbeiten. Als Gegenleistung für die Einarbeitung war vom Kläger an den Verkäufer ein Betrag von ... € zu zahlen (§ 8 Abs. 3 Satz 2). Dieser Betrag wurde bei Unterzeichnung des Vertrags fällig und sollte auf den Kaufpreis in voller Höhe angerechnet werden (§ 8 Abs. 3 Satz 3). Nach § 8 Abs. 3 Satz 4 des Vertrags verzichtete der Kläger auf eine Rückforderung der ... €, falls die Betriebsübernahme aus einem Grund scheitern sollte, den er allein oder überwiegend allein zu vertreten hat. Die ... € wurden unmittelbar nach Vertragsunterzeichnung vom Kläger gezahlt. In der Abrechnung des Verkäufers vom 17. Februar 2009 werden ... € vom Kaufpreis als "Anzahlung Oktober 08" abgezogen.

Das Restaurant in der X-Straße ... hat einen Gastraum mit etwa 85 Sitzplätzen und einen Außenbereich mit etwa 60 Sitzplätzen, der etwa ab Mai genutzt wird. Neben zwei Festangestellten (einem Koch und einem Betriebsleiter) wurden in den Streitjahren 2009 bis 2011 ca. 16 Aushilfen beschäftigt. Der Kläger ermittelt seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich und setzte bis 2013 ein älteres PC-gestütztes Kassensystem ein, das von dem Vorbesitzer übernommen worden war. In den Streitjahren 2009 bis 2011 wurden in dem Restaurant fast ausschließlich Barumsätze erzielt.

Ende 2013 bis Anfang 2016 führte der Beklagte bei dem Kläger mit Unterbrechungen eine Betriebsprüfung für die Streitjahre durch. Der Betriebsprüfer beanstandete, dass in den Buchführungsunterlagen keine Z-Bons enthalten gewesen seien. Die vorgelegten maschinellen Ausdrucke enthielten unvollständige bzw. fehlerhafte Angaben, wie den Namen des Vorbesitzers des Restaurants, kein vollständiges Datum (Jahreszahl fehlte), keine Uhrzeit, keine fortlaufende Nummerierung, keine Angaben über den Zahlungsweg und keine Angaben zu Stornos. Obwohl Kellnerkonten in der Registrierkasse eingerichtet sein sollten, hätten Ausdrucke über diese Konten nicht vorgelegen. Organisationsunterlagen zur Kasse wie Bedienungsanleitung, Programmieranleitung, Programmierprotokolle hätten nicht vorgelegt werden können. Die auf einem USB-Stick ausgehändigten Kassendaten seien nicht lesbar gewesen; auch nach Aufforderung seien keine maschinell verwertbaren Daten zur Verfügung gestellt worden. Die vom Kläger erklärten Bareinnahmen, Umsatzerlöse und der Wareneinkauf seien mittels der Summarischen Risikoprüfung auf Plausibilität hin überprüft worden. Die Prüfung der Tageskasseneinnahmen habe bei der Zweitziffernuntersuchung eine Gegenwahrscheinlichkeit von 100 % ergeben. Die Überprüfung der Tageseinnahmen anhand der logarithmischen Normalverteilung habe erkennen lassen, dass die erklärten Zahlen deutlich von der zu erwartenden Verteilungskurve abwichen. Die vorgelegten Buchführungsdaten für den Wareneinkauf und für die Erlöse seien durch einen Zeitreihenvergleich überprüft worden. Entgegen der Erwartung verliefen die aus diesen beiden Positionen erstellten Kurven nicht parallel, sondern wiesen erhebliche Gegenläufigkeiten (Wareneinkauf sinkt, Erlöse steigen) bzw. Ablösungen (Wareneinkauf bleibt unverändert, Erlöse steigen) auf. Darüber hinaus stiegen bzw. fielen die Erlöse ungleich stärker, als der dazugehörige Wareneinkauf.

Aufgrund dieser Feststellungen verwarf der Betriebsprüfer die Buchführung als nicht ordnungsgemäß und nahm eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vor. Die Kassendaten seien mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht auf natürlichem Wege zustande gekommen. Der Prüfer ermittelte den Rohgewinnaufschlagssatz auf Basis der vorgelegten Buchführungsdaten in Höhe des 80 %-Quantils. Daraus ergab sich ein Rohgewinnaufschlagsatz von 228 %, der zu einem Mehrgewinn in 2010 von ... € (... € zzgl. ... € USt) und in 2011 von ... € (... € zzgl. ... € USt) führte. Für 2009 blieb es bei dem erklärten Rohgewinnaufschlagsatz von 235 %, eine Hinzuschätzung er...

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