rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungskonforme Auslegung des § 3 Nr. 2 GrEStG

 

Leitsatz (amtlich)

Überträgt der vorletzte Gesellschafter einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (GbR) seinen Gesellschaftsanteil auf den letztverbleibenden Gesellschafter, so erlischt die Gesellschaft durch Anwachsung. Zugleich geht das übertragende Mitgliedschaftsrecht unter und wandelt sich das Gesamthandseigentum der Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in Alleineigentum des übernehmenden Gesellschafters.

In Fällen dieser Art kann § 3 Nr. 2 GrEStG im Wege der verfassungskonformen Auslegung auf die Grundstücksanwachsung als einer mittelbaren Grundstücksschenkung anzuwenden sein.

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2a, 3, § 3 Nr. 2, § 8; BGB § 738; ErbStG § 7

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Erwerbsvorgang durch Anwachsung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG, § 738 BGB) als Grundstücksschenkung unter Lebenden unter die Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 GrEStG fällt.

Der Kläger war zu 50 v.H. an einer aus ihm und seinem Bruder bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) beteiligt. Das Gesellschaftsvermögen der GbR bestand im Wesentlichen aus vier Grundstücken, die in den Bezirken verschiedener Finanzämter liegen und die Gegenstand des hier streitigen Feststellungsbescheids sind.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 18. April 2001 (Abtretung) beschlossen die Gesellschafter, die GbR mit Wirkung zum 01. Mai 2001 aufzulösen (vgl. Bl. 26ff Grunderwerbsteuer-Akte); im Hinblick hierauf übertrug der Bruder - mit dinglicher Wirkung zum 18. April 2001 - seinen GbR-Anteil auf den Kläger, der hierfür eine Abfindung in Höhe von DM 1.300.000 leistete und bestehende Grundstückbelastungen und Rentenverpflichtungen im Gesamtwert von DM 1.680.857 übernahm (Bl. 26ff, 106ff Grunderwerbsteuer-Akte).

Die Abtretung erfüllte den Tatbestand einer gemischten Schenkung bzw. Schenkung unter Auflage seitens des Bruders zugunsten des Klägers, die mit (bestandskräftigem) Schenkungsteuerbescheid vom 12. Dezember 2003 veranlagt wurde (Bl. 57 Anlagenband). Dabei ging die Schenkungsteuerstelle von einem - unstreitigen - Verkehrswert der Leistung des Schenkers in Höhe von 3.702.702 (davon Grundvermögen: DM 2.457.425), einem - unstreitigen - Steuerwert der Leistung des Schenkers in Höhe von DM 3.322.777 (davon Grundvermögen: DM 2.077.500) und einem - unstreitigen - (Verkehrs)Wert der Gegenleistung des Beschenkten in Höhe von DM 2.980.857 aus.

Mit streitgegenständlichem Feststellungsbescheid vom 28. Februar 2002 (Bl. 50 Grunderwerbsteuer-Akte) stellte der Beklagte, in dessen Bezirk das wertvollste der vier GbR-Grundstücke (X-Straße) liegt, nach § 17 Abs. 2 GrEStG fest, dass die durch das Ausscheiden des Bruders bedingte Anwachsung (§ 738 BGB) des anteiligen GbR-Grundvermögens beim Kläger einen steuerbaren Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG darstelle, der in Höhe der Steuerwerte (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG i.V.m. § 138 Abs. 3 BewG) der angewachsenen Grundstücksanteile in Höhe von insgesamt 2.077.500 zu besteuern sei.

Auf den hiergegen erhobenen Einspruch vom 11. März 2002 (Bl. 56 Grunderwerbsteuer-Akte), mit dem geltend gemacht wurde, dass die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 2 GrEStG zu beachten und die Bemessungsgrundlage auf die Auflage/Gegenleistung gemäß Abtretung zu beschränken sei, entschied der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 02. März 2004 (Bl. 115 Grunderwerbsteuer-Akte). Eine Doppelbesteuerung mit Schenkung- und Grunderwerbsteuer liege nicht vor, da unterschiedliche Rechtsvorgänge besteuert würden. Während die Schenkungsteuer an die Abtretung anknüpfe, würde grunderwerbsteuerlich erst die durch die Abtretung eintretende Anwachsung besteuert. Steuerpflichtiger Erwerbsvorgang sei somit nicht eine Grundstücksschenkung, sondern der von § 738 BGB gesetzlich angeordnete Vermögensübergang; § 3 Nr. 2 GrEStG sei deshalb nicht einschlägig.

Mit der am 15. März 2004 erhobenen Klage rügt der Kläger die Verletzung des § 3 Nr. 2 GrEStG (Bl. 1, 6 ff Gerichtsakte) und

beantragt sinngemäß (Bl. 2, 30 Gerichtsakte), wie erkannt.

Der Beklagte beantragt (Bl. 20 Gerichtsakte), die Klage abzuweisen

und beruft sich im Wesentlichen auf die Begründung der Einspruchsentscheidung vom 2. März 2004.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf den Inhalt der Bescheide, auf die mit den vorgenannten Vorgängen zusammenhängenden Unterlagen sowie auf den Inhalt der Grunderwerbsteuer-Akte Bezug.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet gemäß § 90a Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid.

1. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten, als die festgestellten Steuerbemessungsgrundlagen die nach § 3 Nr. 2 GrEStG maßgeblichen Werte übersteigen, § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 FGO. Die Vorschrift des § 3 Nr. 2 GrEStG ist entgegen der Auffassung des Beklagten auf den hier vorliegenden Erwerbsvorgang der Anwachsung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) im Wege v...

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