Entscheidungsstichwort (Thema)

Werbungskosten bei Verpflichtung zur Ausbildung

 

Leitsatz (redaktionell)

Ausbildungskosten sind dann wie Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn die Aufnahme einer spezifischen beruflichen Tätigkeit Voraussetzung für die Durchführung des Ausbildungsvertrages ist.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 7 S. 1, § 9 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.09.2003; Aktenzeichen VI R 86/02)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Aufwendungen der Klägerin für ihre Ausbildung als Heilerzieherin als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin war im Streitjahr ausgebildete sozialpädagogische Assistentin. Sie bewarb sich im April/Mai 1997 bei dem damals noch im Aufbau befindlichen integrativen "Kindergarten K" (Kindergarten) um eine Anstellung als Kindergärtnerin. Gesucht wurde von dem Kindergarten jedoch eine Heilerzieherin, weil in dem integrativen Kindergarten auch behinderte und wahrnehmungsgestörte Kinder betreut werden sollten. Aufgrund ihrer familiären Verhältnisse war die Klägerin an einer solchen Tätigkeit besonders interessiert und bereit, eine Ausbildung als Heilerzieherin wahrzunehmen. Wegen dieser Ausbildungsbereitschaft wurde die Klägerin vom Kindergarten eingestellt.

Sie schloss am 30.05.1997 mit der "Schule für Heilerziehung ...", einer staatlich anerkannten besonderen Fachschule, einen Schulvertrag (auf den Vertrag vom 30.05.1997, FG-Akte Bl. 10, 11 wird Bezug genommen). Die Schulzeit begann am 01.08.1997 und betrug vier Jahre. Die durchschnittliche wöchentliche Schulzeit betrug 16 Schulstunden, die jeweils am Donnerstag-Nachmittag, Freitag-Vormittag sowie samstags abgehalten wurden. Die Klägerin war verpflichtet, neben der Schulzeit regelmäßig mindestens 19,5 Stunden wöchentlich in einem integrativen Kindergarten zu arbeiten (vgl. § 2 des Schulvertrages). Auf die wöchentliche Mindestarbeitszeit konnten auch Zeiten angerechnet werden, die die Klägerin bei der Heilerziehung ihres zu 100 v.H. behinderten Sohnes aufwandte. Aufgrund von regelmäßig zusätzlich übernommenen Spätdiensten im Kindergarten hat die Klägerin die Voraussetzungen für den Nachweis der erforderlichen praktischen Tätigkeit aber auch ohne Anrechnung privater Erziehungszeiten erfüllt. Gemäß § 5 des Schulvertrages war die Schule berechtigt, u.a. den Schulvertrag zu kündigen "bei so ungenügenden Leistungen, dass ein erfolgreicher Abschluss der Ausbildung nicht zu erwarten ist". Außerdem entscheidet die Schule über Auflösung des Schulvertrages oder die Modalitäten zur Weiterführung der Ausbildung im Rahmen der Fachschulordnung, falls das Arbeitsverhältnis gekündigt wird. Der Schulvertrag wurde vom Kindergarten als Arbeitgeber zur Kenntnis genommen und unterzeichnet.

Die Schule überprüfte die Leistungen der Klägerin bei der praktischen Arbeit durch regelmäßige Kontrollen im Kindergarten.

Bereits ab November 1997 war die Klägerin im Rahmen der Gestaltung und des Aufbaues des Kindergartens als pauschal entlohnte Arbeitnehmerin (630 DM mtl.) für den Kindergarten tätig. Ab 01.07.1998 erhielt sie einen Dienstvertrag als Erzieherin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 11 Stunden (auf den Vertrag vom 02.07.1998, FG-Akte Bl.12, wird Bezug genommen). Dieser Vertrag wurde mit Vereinbarung vom 03.01.1999 "mit Wirkung vom 1.1.1999 bis zum 31.7.2001 in einen Ausbildungsdienstvertrag geändert." (FG-Akte Bl.14). Weiter heißt es:

"Die Ausbildung von Frau A zur Heilerzieherin ist für unseren Integrationskindergarten von großem Vorteil. Zu ihren wesentlichen Aufgaben zählt der Erwerb und die Anwendung theoretischer und praktischer Kenntnisse zur Förderung von entwicklungsverzögerten und von Behinderung bedrohten Kindern. Im Rahmen ihrer Arbeitszeit erhält sie bei uns die Möglichkeit, diese Kenntnisse zu erwerben und anzuwenden."

In der Einkommensteuererklärung für 1999 machten die Kläger für die Klägerin Fortbildungskosten für die Ausbildung zur Heilerzieherin in Höhe von 9.542,24 DM geltend (81 Schulbesuchstage a 152 km + 12 mal 260 DM Schulgeld).

Der Beklagte berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 1999 vom 31.08.2000 bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin nur pauschale Werbungskosten in Höhe von 2.000 DM. Nach den Erläuterungen zum Steuerbescheid sollten zwar zusätzlich Ausbildungskosten als Sonderausgaben in Höhe von 2.400 DM angesetzt werden, tatsächlich ist dies aber nicht geschehen.

Dagegen legten die Kläger am 28.09.2000 Einspruch ein. Bei der Ausbildung zur Heilerzieherin handele es sich um eine Fortbildung im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses. Bedingung zum Abschluss des Dienstvertrages sei die Bereitschaft der Klägerin gewesen, diese Fortbildung auf sich zu nehmen. Inzwischen sei die Qualifikation als Heilerzieherin sogar Bedingung für die Einordnung des Kindergartens als Integrationskindergarten. Ohne diese Fortbildung könne die Klägerin bei ihrem Arbeitgeber also gar nicht arbeiten.

Mit Einspruchsentscheidung vom 27...

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