Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückwirkende Tabaksteuererhöhung auf vorportionierten Feinschnitt

 

Leitsatz (amtlich)

Es ist zweifelhaft, ob die Verordnung zur Erhebung einer Nachsteuer auf vorportionierten Feinschnitt vom 16.11.2005 (BGBl. I S. 3165, sog. Nachsteuer-Verordnung) auf einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage beruht.

 

Normenkette

TabakStG § 4 Abs. 1, § 31 Nr. 18

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 06.08.2007; Aktenzeichen VII B 108-109/06)

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung der Vollziehung einer Tabaksteueranmeldung.

Mit dem Gesetz zur Änderung des Tabaksteuergesetzes und anderer Verbrauchsteuergesetze vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 2924) beschloss der Bundesgesetzgeber eine stufenweise Erhöhung der Tabaksteuer für Zigaretten, Zigarren, Zigarillos, Feinschnitt und Pfeifentabak, und zwar zum 1.3.2004, 1.12.2004 und 1.9.2005 (vgl. Art. 1 Abs. 1 Ziffer 2). Außerdem ermächtigte der Bundesgesetzgeber das Bundesministerium der Finanzen, durch Rechtsverordnung zur Sicherung des Tabaksteueraufkommens für Zigaretten und Feinschnitt eine Nachsteuer in Höhe des Belastungsunterschieds festzusetzen, der sich aus der Differenz des vor und nach dem jeweiligen Erhöhungstermin geltenden Steuertarifs ergibt (vgl. Art. 1 Abs. 1 Ziffer 4).

Im Rahmen der Tabaksteuererhöhung zum 1.9.2005 führte der Steueraufsichtsdienst der Zollverwaltung in den ersten beiden Septemberwochen 2005 in den Auslieferungslagern der Hersteller sowie im Groß- und Einzelhandel stichprobenweise eine Bestandsermittlung an alt- (bis zum 31.8.2005) und neuversteuerten (ab dem 1.9.2005) Zigaretten und Feinschnitt durch, bei der beim vorportionierten Feinschnitt im Gegensatz zur Zigarette weit überwiegend altversteuerte Bestände festgestellt wurden. Diese Ergebnisse der Bestandsermittlung nahm der Bundesminister der Finanzen zum Anlass, durch Rechtsverordnung (Verordnung zur Erhebung einer Nachsteuer auf vorportionierten Feinschnitt vom 16.11.2005, BGBl. I S. 3165, im Folgenden: Nachsteuer-Verordnung) rückwirkend zum 1.9.2005 eine Nachsteuer auf vorportionierten Feinschnitt zu erheben, für den die Steuer nach dem bis zum 31.8.2005 geltenden Steuertarif entstanden war und der sich nach diesem Zeitpunkt im Besitz eines Steuerlagerinhabers, Groß- oder Einzelhändlers befand oder befunden hatte.

Die Antragstellerin, die Tabakwaren herstellt, gab am 1.12.2005 beim Antragsgegner unter Hinweis auf § 3 Abs. 1 Nachsteuer-Verordnung eine Tabaksteueranmeldung in Höhe von EUR 886.388,20 betreffend ihre Bestände an vorportionierten Feinschnitt am 1.9.2005 ab. Mit Schreiben vom 5.12.2005 erhob die Antragstellerin gegen ihre Steueranmeldung vom 1.12.2005 Einspruch und beantragte zugleich, deren Vollziehung auszusetzen, was der Antragsgegner in der Folgezeit mit Bescheid vom 27.12.2005 ablehnte.

Die Antragstellerin hat am 28.12.2005 um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Sie meint, dass die Steueranmeldung vom 1.12.2005 rechtswidrig sei, weil diese auf einer rechtswidrigen und damit nichtigen Rechtsverordnung beruhe. Insoweit führt die Antragstellerin u.a. an, dass die Nachsteuer-Verordnung vom 16.11.2005, die rückwirkend zum 1.9.2005 in Kraft getreten sei, gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstoße. Da es maßgebend auf den Bestand an vorportioniertem Feinschnitt zum 1.9.2005 ankomme, greife der Gesetzgeber auf einen Sachverhalt zu, der bei Erlass der Nachsteuer-Verordnung bereits abgeschlossen gewesen sei und auf den sich der Steuerschuldner nicht mehr habe einstellen können. Auch verstoße die Nachsteuer-Verordnung gegen den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gesetzesvorbehalt, wonach der parlamentarische Gesetzgeber die wesentlichen grundrechtsrelevanten Entscheidungen, zu denen auch die Entscheidung über die Erhebung einer Steuer gehöre, selbst zu regeln habe und nicht auf den Verordnungsgeber übertragen dürfe. Überdies führe die Nachsteuer-Verordnung dazu, dass die Tabaksteuer entgegen ihrem Leitbild als Verbrauchsteuer den Charakter einer Verkehrsteuer erhalte, da sie mangels Abwälzbarkeit nicht zu einer Belastung des Verbrauchers, sondern des Unternehmers führe. Schließlich sei die Nachsteuer-Verordnung auch mit übergeordneten gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften nicht vereinbar. Weder die Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25.2.1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren noch die Richtlinie 92/80/EWG des Rates vom 19.10.1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf andere Tabakwaren als Zigaretten noch die Richtlinie 95/59/EG des Rates vom 27.11.1995 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer würden im Unterschied etwa zur Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27.10.2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom die Möglichkeit der Erhebung einer Nachsteuer vorsehen.

Die Antragstellerin beantragt, nachdem sie den angemeldeten Betrag am 30.12.2005 en...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge