Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mangels Eilbedürfnisses

 

Leitsatz (amtlich)

Keine Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mangels Eilbedürfnisses, wenn der ausdrücklich als vorsorglich zur Fristwahrung bezeichnete Antrag mit der Bitte um eine fast zweimonatige Frist zur Begründung gestellt wird und der Antragsteller unmittelbar ab Stellung des Antrags nicht mehr erreichbar ist, da sonst eine im Rahmen des vorläufigen Rechtschutzes grundsätzlich nicht zu gewährende langfristige Begründungsfrist zu erzwingen wäre.

 

Normenkette

FGO § 69 Abs. 3-4, § 114

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz im Zusammenhang mit einer abgelehnten Veranlagung zur Einkommensteuer.

Mit seiner Klagschrift vom 09.07.2005, eingegangen am 12.07.2005, teilte er mit, dass der Antragsgegner mit Bescheid vom 05.07.2005 seine Einsprüche vom 12.07.2004 wegen Nichtveranlagung zur Einkommensteuer für die Jahre 1995 und 1996 zurückgewiesen habe. Gegen diese Einspruchsentscheidung erhebe er "vorsorglich zur Fristwahrung" Klage. Weiter führte er aus: "Da ich am 11.07.2005 eine stationäre Reha-Maßnahme antrete, deren Dauer noch nicht feststeht, beantrage ich die Aussetzung des Verfahrens bis zum 31.08.2005. Bis dahin werde ich die Begründung nachreichen."

Durch gerichtliche Verfügung vom 12.07.2005, abgesandt am 13.07.2005, wurde der Antragsteller gebeten, binnen einer Woche den Antrag zu begründen, verbunden mit folgendem Zusatz: "... Da eine Aussetzung der Vollziehung einen vollziehbaren Verwaltungsakt voraussetzt , aber nicht in Betracht kommt, wenn die beantragte Veranlagung einer Steuerfestsetzung abgelehnt wird, da diese Ablehnung sich in einer negierenden Wirkung erschöpft, könnte ihr Begehren allenfalls als Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß § 114 Abgabenordnung zum Erfolg führen. Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz stellen jedoch Eilverfahren dar und sind wegen der Eilbedürftigkeit aufgrund summarischer Prüfung des präsenten Akteninhaltes zu entscheiden. Für eine Verlängerung der Begründungsfrist ist daher kein Raum. Der Antrag müsste abgewiesen werden. Ihnen wird Gelegenheit gegeben, Ihren Antrag unverzüglich zu begründen oder diesen vor einer ablehnenden Entscheidung zurückzunehmen."

Eine Reaktion erfolgte nicht.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg.

Der Senat legt das als Antrag auf "Aussetzung des Verfahrens" formulierte Begehren des Antragstellers zu seinen Gunsten entsprechend seinem erkennbaren Anliegen aus.

Ein Antrag auf gerichtliche "Aussetzung der Vollziehung" gem. § 69 Abs. 3 FGO wäre unzulässig. Diese setzt einen vollziehbaren Verwaltungsakt voraus. Vorläufiger Rechtsschutz in Form des § 69 Abs. 3 FGO kommt im Rahmen von Anfechtungsklagen zur Anwendung. Wird vorläufiger Rechtsschutz wegen eines Verwaltungsaktes begehrt, der sich in einer Ablehnung eines Bescheides, mithin in einer bloßen Negation erschöpft, kommt eine Aussetzung der Vollziehung nicht in Betracht (z.B. Tipke/Kruse § 69 FGO, Rn. 24).

Auszulegen ist der - dann jedenfalls zulässige - Antrag als ein solcher auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 FGO, der im Rahmen von Verpflichtungsklagen zur Sicherung eines individuellen Rechts oder zur vorläufigen Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses als so genannte Sicherungsanordnung oder Regelungsanordnung zulässig ist. Danach kann das Gericht auf Antrag u.a. eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gem. § 114 Abs. 3 FGO gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 929, 941 und 945 der ZPO sinngemäß. Gem. § 920 Abs. 2 ZPO sind der Anspruch und der Arrestgrund glaubhaft zu machen.

Der Antrag ist jedoch unbegründet. Das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes stellt ein Eilverfahren dar, in dem wegen der Notwendigkeit einer schnellen Entscheidung allein auf Grund des präsenten Vorbringens eine summarische, d.h. abgekürzte Prüfung zu erfolgen hat. Ohne weiter gehende Sachverhaltsermittlungen ist nur anhand der Aktenlage und aufgrund von präsenten Beweismitteln zu entscheiden.

Dem Vorbringen des Antragstellers ist weder ein hinreichend substantiierter Sachverhalt zu entnehmen noch lässt sich erkennen, dass eine vorläufige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Sein Antrag ist, wie er selbst ausführt, lediglich vorsorglich und zur Fristwahrung gestellt worden. Ihm lässt sich, wie der Antrag auf eine bis zum 31.08.2005 zu gewährende Fristverlängerung zeigt, kein Eilbedürfnis entnehmen. Die Voraussetzungen für einen vorläufigen Rechtsschutz sind somit nicht gegeben. Daran ändert auch der allgemeine Hinweis auf eine unmittelbar nach Antragstellung begonnene Reha-Maßnahme nichts...

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