Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuerpflicht einer Rentenberaterin

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine allein auf dem Gebiet des Rentensozialversicherungsrechts ausgebildete und als Prozessagentin bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zugelassene Rentenberaterin erzielt keine Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, da sie nach Tiefe und Breite ihrer Ausbildung und aufgrund der begrenzten Reichweite ihrer Zulassung als Rechtsbeistand keinen den Katalogberufen des Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten ähnlichen Beruf ausübt und auch eine den Regelbeispielen des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG ähnliche sonstige selbständige Tätigkeit nicht vorliegt.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1 S. 2; EStG § 15 Abs. 2 S. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 3; ZPO a.F. § 157 Abs. 3; RDGEG § 3 Abs. 2

 

Streitjahr(e)

2011

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.05.2019; Aktenzeichen VIII R 26/16)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin im Streitjahr (2011) als Rentenberaterin der Gewerbesteuer unterlag.

Die 1962 geborene Klägerin erwarb die mittlere Reife und absolvierte im Anschluss an die Schulzeit eine Ausbildung zum Bürokaufmann sowie die zweijährige höhere Handelsschule. Nach Abschluss der Ausbildung war sie 16 Jahre lang im Bereich der Altersversorgung in der Hauptverwaltung der A- Krankenkasse tätig.

Ab dem Jahr 2000 war sie bei der B GmbH & Co KG bzw. der C GmbH in D als Referentin und Spezialistin in den Rechtsgebieten „gesetzliche Rentenversicherung” und „Versorgungsausgleichsrecht” beschäftigt. Sie berechnete Sozialversicherungsrenten nach dem Rechtsstand des Jahres 2003 bzw. nach älteren Rechtsständen sowie Anwartschaften nach dem Leistungsrecht der VBL oder der Zusatzversorgungskassen. Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Arbeiten war die Anwendung des Versorgungsausgleichs-Härteregelungsgesetzes (VAHRG).

2004 erteilte ihr der Präsident des Landgerichts E die Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sachbereich eines Rentenberaters gem. Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG). 2005 ließ die Präsidentin des Landessozialgerichts F sie zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten und dem Landessozialgericht F gem. § 73 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) a.F., § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) a.F. und § 1 der Verordnung über die Zulassung von Prozessagenten bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit im Lande F zu. Die Klägerin ist mit der Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sachbereich eines Rentenberaters ohne Beschränkung auf den außergerichtlichen Bereich sowie mit der Zulassung zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten des Landes F und dem Landessozialgericht F im Rechtsdienstleistungsregister registriert.

Die Klägerin wurde 2008 als Sachverständige vom Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages zu dem Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs angehört.

Seit 2009 ist die Klägerin hauptberuflich selbständig tätig. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt seither im Versorgungsausgleichsrecht. Wegen der Fortbildungsveranstaltungen, an denen die Klägerin seit 2001 teilgenommen hat, wird auf die tabellarische Aufstellung Bl. 19 f. d.A. Bezug genommen.

Die Klägerin erklärte im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr - wie für die Vorjahre - Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit. Der Beklagte, das Finanzamt (FA), folgte dem nicht und setzte einen Gewerbesteuermessbetrag auf der Grundlage des erklärten Gewinns (39.424 EUR) in Höhe von 521 EUR fest. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein. Das FA wies diesen als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin übe keine dem Beruf eines Rechtsanwalts, Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten ähnliche Tätigkeit aus. Es genüge insofern nicht, wenn das Wissen eines Steuerpflichtigen - wie im Streitfall - lediglich ein Teilgebiet eines Katalogberufs umfasse. Erforderlich seien vielmehr Erfahrungen und Kenntnisse in allen Kernbereichen eines Fachstudiums eines Rechtsanwalts. Es lägen auch keine Einkünfte aus sonstiger selbständiger Tätigkeit vor. Eine Ähnlichkeit zu den in § 18 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genannten Regelbeispielen (Testamentsvollstrecker, Aufsichtsrat, Vermögensverwalter) sei nicht gegeben. Ein Rentenberater werde im Unterschied zu diesen Berufen nicht vermögensverwaltend tätig.

Dagegen richtet sich die Klage. Die Klägerin ist der Auffassung, ihre Tätigkeit sei zumindest mit der eines Steuerberaters vergleichbar, weil das Rentenrecht ähnlich wie das Steuerrecht ein hochkomplizierter Teilbereich der Rechtswissenschaften sei. Beide Berufe seien kein ausschließlich akademischer Berufsstand. Mit beiden Berufen sei eine gewerbliche Tätigkeit unvereinbar. Würde man die Kriterien des FA auf den Steuerberater anlegen, käme man zu dem Ergebnis, dass ein Steuerberater keine freiberufliche Tätigkeit ausübte. Jedenfalls lägen aber Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit vor. Soweit das FA bei se...

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