Entscheidungsstichwort (Thema)

Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung: Arzthaftungsprozess – Kostenerstattung als rückwirkendes Ereignis

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Kosten eines Zivilprozesses, in dem die Folgen einer falschen ärztlichen Behandlung geltend gemacht werden und in dem u.a. ausweislich der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens der Erfolg mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie der Misserfolg, sind nach Abzug der zumutbaren Eigenbelastung als außergewöhnliche Belastungen abziehbar.
  2. Eine Kostenerstattung, die dem Stpfl. in einem späteren Veranlagungszeitraum zufließt, ist als rückwirkendes Ereignis durch Änderung des Bescheides für das Jahr der Verausgabung zu berücksichtigen.
 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1, 2 S. 1; AO § 175 Abs. 1 Nr. 2

 

Streitjahr(e)

2011

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.11.2015; Aktenzeichen VI R 42/14)

BFH (Urteil vom 19.11.2015; Aktenzeichen VI R 42/14)

 

Tatbestand

Der Kläger machte in der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 u.a. außergewöhnliche Belastungen i. H. von 5.313,75 € für die Kosten eines Zivilprozesses geltend, mit dem er Schadensersatz und Schmerzensgeld begehrt, sowie weitere 940 € für eine Rückentherapie.

Die Aufwendungen beruhen auf einem Verkehrsunfall, den der Kläger im Jahr 2009 mit einem von der Firma A hergestellten Fahrrad, erworben am 08.07.2008 bei der Firma B in C, erlitten hatte.

Der Kläger nahm den Hersteller und den Verkäufer im Wege der Klage in Anspruch. Vor Klageerhebung beantragte er im Jahr 2010 die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens. Am 24.08.2010 ordnete das Landgericht D im selbständigen Beweisverfahren an, Beweis über die Beschaffenheit des Fahrrades im Hinblick auf den Unfall zu erheben, und beauftragte einen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens.

Der Kläger hatte am 18.07.2008 bei der Firma B eine erste Inspektion des Rades durchführen lassen. Am 14.04.2009 wies der Kläger den Verkäufer per

E-Mail auf Schleifspuren am hinteren Schutzblech bzw. am dort befestigten Kabelkanal und einen zu geringen Abstand zum Hinterrad hin. Daraufhin setzte die Firma B auch die Halterungen des Schutzbleches hoch. Trotz der durchgeführten Reparaturen stürzte der Kläger am 06.06.2009 mit dem Fahrrad und wurde stationär im Krankenhaus behandelt. Es folgten weitere Operationen im Bereich des Oberarms und der Schulter. Der Unfall führte zu einer Schwerbehinderung des Klägers mit einem Grad von 50 Prozent. Noch im Jahr 2009 beauftragte der Kläger einen Gutachter, dessen Erkenntnisse mit denen des gerichtlichen Gutachters im Wesentlichen übereinstimmten. Beide Gutachten kamen jeweils zu der Erkenntnis, dass ein erheblicher Konstruktionsfehler bzw. Produktfehler bei dem vom Kläger erworbenen Fahrrad vorlag. Der Abstand zwischen dem hinteren Schutzblech zum hinteren Rahmen sowie Reifen war zu gering, das Schutzblech war ferner mangelhaft befestigt, wodurch die Verkehrssicherheit beeinträchtigt wurde.

Für das Streitjahr machte der Kläger den Abzug der in 2011 angefallenen Zivilprozesskosten für das selbständige Beweisverfahren und das Klageverfahren sowie Therapiekosten in seiner Einkommensteuererklärung als außergewöhnliche Belastungen geltend:

GK vom 17. 10. 2011

1.040,93 €

RA´e 11. 10. 2011

 1.035,26 €

RA´e 19. 12. 2011

2.237,56 €

GK 23. 3. 2011

1.000 €

Summe

5.313,75 €.

Therapiekosten 14. 12. 2011

940,00 €.

Summe

6.253,75 €.

In dem Einkommensteuerbescheid 2011 vom 29.04.2013 berücksichtigte der Beklagte die Aufwendungen nicht. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, den der Beklagte am 31.07.2013 zurückwies.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Der Kläger trägt vor:

Er sei auf die Führung des Prozesses angewiesen. Aus dem Unfall folge ein Grad der Behinderung von 50 %. Der Kläger sei durch den Unfall stark in seiner Lebensführung eingeschränkt. Er sei nicht mehr in der Lage, seinem gewohnten Lebensstil nachzugehen. Steuerlich anzuerkennen seien außerdem die außergewöhnlichen Aufwendungen für eine Wirbelsäulentherapie. Er nehme bei der E GmbH eine analysegestützte Wirbelsäulentherapie nach dem so genannten FPZ-Konzept wahr. Die Krankenkasse übernehme die Kosten nicht. Die Wirbelsäulentherapie sei aufgrund des Unfalls vom 06.06.2009 indiziert. Gemäß des sozialmedizinischen Gutachtens des Herrn Dr. F werde neben den Unfallfolgen im Bereich der rechten Schulter explizit auf die Ausstrahlung bzw. das Zusammenwirken mit der Wirbelsäule eingegangen. Eine verstärkte Therapie der Wirbelsäule sei aus medizinischen bzw. gesundheitlichen Gründen daher angezeigt. Aus den aus dem Unfall resultierenden, teilweise schmerzbedingten Bewegungseinschränkungen resultiere eine Verkümmerung der Muskulatur und eine damit einhergehende Verschlechterung der Gesamtsituation, der durch die Wirbelsäulentherapie entgegengewirkt werde. Dem Gutachten des Sachverständigen F sei zu entnehmen, dass die Therapie aus ärztlicher Sicht erforderlich sei. Dies folge auch aus dem Gutachten des Sachverständigen G. Dessen Gutachten sei aufgrund ei...

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