Entscheidungsstichwort (Thema)

Kraftfahrzeugsteuer als Masseverbindlichkeit – Freigabe des Fahrzeugs aus dem Massebeschlag

 

Leitsatz (redaktionell)

Die ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels verkehrsrechtlicher Abmeldung entstandene Kraftfahrzeugsteuer stellt auch dann eine Masseverbindlichkeit dar, wenn der Insolvenzverwalter das Fahrzeug gemäß § 35 Abs. 2 InsO aus dem Massebeschlag freigegeben hat.

 

Normenkette

InsO § 35 Abs. 2, § 55 Abs. 1 Nr. 1; KraftStG § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

2008, 2009

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.09.2011; Aktenzeichen II R 54/10)

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines an den Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Frau M. gerichteten Kraftfahrzeugsteuerbescheids.

Mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) A-Stadt vom 15. September 2008 wurden das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Frau M. eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter ernannt. Für die Insolvenzschuldnerin war ein Personenkraftwagen (PKW) mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX 123 auf ihren Namen zum Verkehr zugelassen.

Am 27. Oktober 2008 setzte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) die Kraftfahrzeugsteuer für dieses Kraftfahrzeug (Kfz) gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter für die Zeit vom 15. September 2008 bis 25. Februar 2009 auf 94 Euro und für die Zeit danach auf jährlich 211 Euro fest. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein, den das FA mit Entscheidung vom 16. Dezember 2008 als unbegründet zurückwies.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Kraftfahrzeugsteuerbescheids vom 27. Oktober 2008. Zur Begründung führt er aus, er habe den Geschäftsbetrieb und im Zusammenhang damit auch das Fahrzeug aus dem Massebeschlag gem. § 35 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO) freigegeben. Hierüber habe er das FA mit Schreiben vom 23. September 2008 informiert. Rechtsfolge der Erklärung nach § 35 Abs. 2 InsO sei, dass Ansprüche im Zusammenhang mit den freigegebenen Gegenständen nicht als Masseverbindlichkeit geltend gemacht werden könnten, da aufgrund der Freigabeerklärung keine Massezugehörigkeit bestehe. Dies gelte nach seiner Auffassung mit Wirkung ab Insolvenzeröffnung, sodass es auf die Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht ankomme, wonach die bloße Zulassung auf den Insolvenzschuldner Abgrenzungskriterium sei. Diese Rechtsprechung sei durch das Inkrafttreten von § 35 Abs. 2 InsO überholt.

Der Kläger beantragt,

den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 27. Oktober 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2008 aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt es unter Bezugnahme auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vor, die nach Insolvenzeröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer sei unbeschadet der Freigabe des Kfz durch den Insolvenzverwalter Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, solange die Steuerpflicht wegen der verkehrsrechtlichen Zulassung auf den Schuldner andauere. Nach der Rechtsprechung des BFH stelle die Kraftfahrzeugsteuerpflicht losgelöst von der insolvenzrechtlichen Einordnung der Fahrzeuge auf die Rechte aus der Haltereigenschaft ab.

 

Entscheidungsgründe

1. Das Gericht ist gem. § 94a der Finanzgerichtsordnung (FGO) befugt, sein Verfahren nach billigem Ermessen zu bestimmen, da der Streitwert des Verfahrens nicht 500 Euro übersteigt. Der Senat macht von dieser Befugnis Gebrauch und entscheidet ohne mündliche Verhandlung, weil eine solche nicht beantragt worden ist und eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach Aktenlage angebracht erscheint.

2. Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Kraftfahrzeugsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Das FA war befugt, den Kläger als Insolvenzverwalter für die ab Insolvenzeröffnung entstandene Kraftfahrzeugsteuer durch den angefochtenen Bescheid in Anspruch zu nehmen.

a) Die Kraftfahrzeugsteuer ist für den PKW der Insolvenzschuldnerin auch für die Zeit ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Die Steuerpflicht dauert nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG), solange das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist. Steuerschuldner ist die Person, für die das Kfz zum Verkehr zugelassen ist (§ 7 Nr. 1 KraftStG). Dies stellt der Kläger auch nicht in Frage.

b) Entgegen der Ansicht des Klägers hat er die Kraftfahrzeugsteuer, die für den PKW ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist, als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Steuerschuldners nach § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) aus der Insolvenzmasse zu begleichen.

Während des Insolvenzverfahrens sind die steuerlichen Pflichten des Insolvenzschuldners vom Insolvenzverwalter zu erfüllen, soweit seine Verwaltung reicht (§ 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AO). Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 15. September 2008 ging das Recht der Insolvenzschuldnerin, das zur Masse gehörende Vermögen zu verwalten, auf den Kläger als Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). Das Insolvenzverfahren erfasst nach §...

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