Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsrechtliche Zulässigkeit rückwirkender Gesetze, hier: § 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG und § 14 KStG (jeweils i.d.F. des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der rückwirkenden gesetzlichen Änderung der Mehrmütterorganschaft durch das UntStFG, nach der entgegen dem Urteil des BFH vom 09.06.1999 I R 37/98 ein aus mehreren gewerblichen Unternehmen bestehendes, der einheitlichen Willensbildung dienendes Konsortium als Organträger anzusehen ist, kann mangels entgegenstehender Vertrauensdispositionen keinen Bedenken begegnen, soweit vor dem Urteil des BFH abgelaufene Erhebungszeiträume betroffen sind.

2. Die rückwirkende Regelung verletzt auch unter Berücksichtigung der seit 1996 gesetzlich angeordneten Zwangsruhe von Einsprüchen bei Musterverfahren nicht die Rechtsweggarantie, zumal sie lediglich Chancen, nicht aber erworbene Rechte der Steuerpflichtigen in den deswegen noch nicht abgeschlossenen Verfahren betreffen kann.

3. Eine rückwirkende gesetzliche Korrektur in Reaktion auf ein inter partes umzusetzendes höchstrichterliches Urteil berührt nicht das Prinzip der Belastungsgleichheit.

 

Normenkette

UntStFG Art. 2, 4; KStG § 14 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2; GewStG § 2 Abs. 2 S. 3, § 36 Abs. 2; AO § 363 Abs. 2 S. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3

 

Streitjahr(e)

1991, 1992, 1993, 1994, 1995, 1996, 1997, 1998

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 09.07.2007; Aktenzeichen I R 60/04)

BFH (Beschluss vom 09.07.2007; Aktenzeichen I R 60/04)

 

Tatbestand

Die Klägerinnen - die Gesellschafterinnen des Konsortiums „Z GmbH” (Z Gesellschaft bürgerlichen Rechts) - begehren im Wege der Untätigkeitsklage, ihnen mit einer einheitlichen und gesonderten Feststellung Verluste der gemeinsam beherrschten Organgesellschaft Z GmbH unmittelbar zuzurechnen - und zwar als Grundlage für ihre Gewerbesteuermeßbetragsfestsetzungen 1991-1998.

Die Beteiligten streiten allein darüber, ob und ggf. welche Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9.6.1999 (I R 37/98, nicht amtlich veröffentlicht) zu ziehen sind; es ging dort um die Gewerbesteuermeßbetragsfestsetzung der A AG. Das Urteil betrifft den Erhebungszeitraum 1990 - die Finanzverwaltung hat es umgesetzt; das entsprechende Verfahren (Finanzgericht - FG - Düsseldorf 18 K 7309/93 G - 18 K 7646/99 G) ist erledigt. Der BFH war zu dem Ergebnis gekommen, die Organgesellschaft Z GmbH sei nicht einem in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischengeschalteten Konsortium, sondern unmittelbar den Unternehmen der Gesellschafter des Konsortiums, also auch dem Unternehmen der A AG eingegliedert. Deshalb seien die aufgelaufenen Gewerbeverluste den Gesellschaftern des Konsortiums anteilig zuzurechnen. Das habe allerdings in entsprechender Anwendung des § 180 Abs. 1 Nr. 2 a der Abgabenordnung - AO - im Rahmen einer einheitlichen und gesonderten Feststellung zu geschehen, um die einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen und um das Verfahren zu vereinfachen.

Das Finanzamt ist der Ansicht, die Entscheidung des BFH sei obsolet - nämlich wegen einer entsprechenden Gesetzesänderung durch

* Art. 2 des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes - UntStFG - vom 20.12.2001 zu § 14 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - und

* Art. 4 UntStFG zu § 2 Abs. 2 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -.

Danach sei gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG n.F. im Fall des § 14 Abs. 2 KStG n.F. die Personengesellschaft Organträger. Schlössen sich mehrere gewerbliche Unternehmen im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 KStG n.F., die gemeinsam im Verhältnis zur Organgesellschaft die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 1 erfüllen, in der Rechtsform einer Personengesellschaft lediglich zum Zweck der einheitlichen Willensbildung gegenüber der Organgesellschaft zusammen, sei nach Abs. 2 die Personengesellschaft als gewerbliches Unternehmen anzusehen, wenn jeder Gesellschafter der Personengesellschaft ein gewerbliches Unternehmen unterhalte. Das sei hier der Fall.

Nach Art 4 UntStFG zu § 36 Abs. 2 GewStG n.F. sei § 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG n.F. auch für Erhebungszeiträume vor dem Erhebungszeitraum 2002 anzuwenden.

Die Klägerinnen meinen demgegenüber, die vom Gesetzgeber angeordnete Rückwirkung sei verfassungswidrig.

Die Klägerinnen beantragen,

das Finanzamt zu verpflichten, die Ergebnisse ihres Konsortiums „Z GmbH” (Z Gesellschaft bürgerlichen Rechts) für 1991 - 1998 einheitlich und gesondert festzustellen - derart, daß ihnen die entsprechenden Beträge erklärungsgemäß unmittelbar zugerechnet werden.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat geht davon aus, daß auch die E AG Klage erhoben hat - für 1991 und 1992. Zwar ist sie nicht auf Seite 1 und 2 des Schriftsatzes vom 26.7.2002 ausdrücklich als Klägerin benannt. Sie ist jedoch im Klageantrag mit einem ganz konkret ihr zugeschriebenem Begehren erwähnt. Das kann bei verständiger Würdigung nur dahingehend ausgelegt werden, daß die...

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