Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufwendungen für ein Erststudium sind im Rahmen des Verlustabzugs gem. § 10d Abs. 4 EStG berücksichtigungsfähig

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Aufwendungen für ein Erststudium sind auch nach Einführung des § 12 Nr. 5 EStG durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21.07.2004 (BGBl I 2004, 1753) als vorab entstandene Werbungskosten abzugsfähig (Anschluss an BFH-Urteile vom 28.07.2011 VI R 7/10, BFH/NV 2011, 1779; VI R 38/10, BFH/NV 2011, 1782).
  2. § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG i. d. F. des Änderungsgesetzes vom 21.07.2004 entfaltet keine Sperrwirkung gegenüber dem Werbungskostenabzug (vgl. BFH-Rspr.).
  3. Zu den abzugsfähigen Aufwendungen zählen – unabhängig von dem Vorliegen einer doppelten Haushaltsführung - auch Kosten für den Umzug aus Anlass des Wechsels des Studienorts.
 

Normenkette

EStG i.d.F. vom 21.07.2004 § 10 Abs. 1 Nr. 7; EStG § 12 Nr. 5, § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 4, § 10d Abs. 4 S. 2

 

Streitjahr(e)

2006

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.02.2020; Aktenzeichen VI R 17/20 (VI R 64/12))

BFH (Urteil vom 12.02.2020; Aktenzeichen VI R 17/20)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die steuerliche Abzugsfähigkeit von Studienaufwendungen.

Die Klägerin studierte nach ihrem in 2003 abgelegten Abitur bis Juli 2006 Psychologie an einer Universität in Australien. Sie gab in den australischen Sommersemesterferien regelmäßig ihr Apartment in Melbourne auf, kehrte in die elterliche Wohnung nach Deutschland zurück und übte in dieser Zeit eine nichtselbständige Tätigkeit aus. Nach dem Abschluss Bachelor of applied science kehrte die Klägerin im Juli 2006 wiederum in die elterliche Wohnung zurück und nahm anschließend zum 01.10.2006 das Masterstudium der Neuro- und Verhaltenswissenschaften in Deutschland auf.

Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2006 Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit von 823 EUR. Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2006 machte sie insoweit Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 12 Tagen à 46 km geltend.

Der Beklagte veranlagte die Klägerin mit Einkommensteuerbescheid 2006 vom 27.02.2007 erklärungsgemäß und setzte die Einkommensteuer auf 0 EUR fest.

Mit dem Einspruch vom 18.03.2007 machte die Klägerin geltend, dass ihr im Streitjahr durch das Studium Aufwendungen in Höhe von insgesamt 17.328,61 EUR entstanden seien. Diese seien als vorweggenommene Werbungskosten zu berücksichtigen.

Die geltend gemachten Studienaufwendungen setzten sich wie folgt zusammen:

Studiengebühren Universität Melbourne

4.099,39 EUR

Flug Australien hin und zurück

588,87 EUR

Fahrtkosten zum Flughafen Deutschland hin und zurück

28,30 EUR

Fahrtkosten zum Flughafen Melbourne hin und zurück

30,00 EUR

Fahrtkosten Universität Melbourne

474,00 EUR

Miete Melbourne Januar - Juli

2.141,18 EUR

Mehraufwendungen für Verpflegung 02.02.-02.08.2006 180 Tage x 41 EUR

7.380,00 EUR

Fachliteratur und Prüfungsgebühren

150,00 EUR

Versicherungen

37,03 EUR

Arztkosten

95,95 EUR

Umzug

436,69 EUR

Miete und Nebenkosten

1.080,00 EUR

Fahrten zur Universität 32 km x 82 Tage x 0,30 EUR

787,20 EUR

Gesamt

17.328,61 EUR

Der Beklagte erließ am 04.04.2007 einen „Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006”, mit dem er feststellte, dass keine gesonderte Feststellung nach § 10d Abs. 4 EStG durchzuführen sei, weil kein verbleibender Verlustabzug bestehe.

Die Klägerin erhob hiergegen Einspruch und machte geltend, dass auch Aufwendungen für ein Erststudium als vorab entstandene Werbungskosten zu berücksichtigen seien.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 30.06.2008 als unbegründet zurück. Er führte im Wesentlichen aus, dass Aufwendungen für ein Erststudium gem. § 12 Nr. 5 EStG nicht als vorab entstandene Werbungskosten berücksichtigt werden könnten.

Die Klägerin hat am 23.07.2008 Klage erhoben.

Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihr Klagebegehren dahingehend eingeschränkt, dass sie keinen Abzug der Mietaufwendungen, der Verpflegungsmehraufwendungen sowie der Versicherungs- und Arztkosten als vorab entstandene Werbungskosten mehr begehrt.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 vom 04.04.2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30.06.2008 dahingehend zu ändern, dass ein verbleibender Verlustabzug von 5.937,05 EUR festgestellt wird.

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen, hilfsweise, Revision zuzulassen.

Er verweist zur Begründung auf seine Einspruchsentscheidung vom 30.06.2008.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist in dem in der mündlichen Verhandlung aufrecht erhaltenen Umfang begründet.

Der Bescheid vom 04.04.2007 in Gestalt Einspruchsentscheidung vom 30.06.2008, mit dem der Beklagte die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 abgelehnt hat, ist rechtswidrig und verletzt...

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