Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifermäßigte Besteuerung von Aufstockungsbeträgen zum Transferkurzarbeitergeld

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die nach Insolvenz des bisherigen Arbeitgebers für die Dauer eines Veranlagungszeitraums von einer zur Abwicklung eingeschalteten Transfergesellschaft gezahlten Aufstockungsbeträge zum Transferkurzarbeitergeld stellen Entschädigungen für entgangene oder entgehende Einnahmen dar, die nach der sog. Fünftelregelung tarifermäßigt zu besteuern sind.
  2. Die Umwandlung des Dienstverhältnisses in ein Abwicklungsbeschäftigungsverhältnis ohne Arbeitsverpflichtung (Kurzarbeit Null) steht der Annahme einer neuen Rechtsgrundlage nicht entgegen.
 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 1, § 24 Nr. 1a, § 34 Abs. 2 Nr. 2; SGB III § 216b

 

Streitjahr(e)

2007

 

Tatbestand

Streitig ist die tarifermäßigte Besteuerung von Aufstockungsbeträgen zum Transferkurzarbeitergeld.

Die Kläger wurden im Streitjahr 2007 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er war vom 1. Dezember 1976 bis zum 31. August 1977 sowie vom 1. September 1984 bis zum 30. September 2005 bei der Firma C. AG – Firma C. – und nach einem Betriebsübergang vom 1. Oktober 2005 bis zum 31. Dezember 2006 bei der Firma A. GmbH & Co. OHG – Firma A. – beschäftigt. Sein Jahresgehalt betrug zuletzt 123.700 EUR.

Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Firma A. am 1. Januar 2007 wurde Ende 2006 der mit Firma A. bestehende Arbeitsvertrag des Klägers aufgelöst und eine Vereinbarung zum Wechsel in eine Transfergesellschaft der Firma B. GmbH – Firma B. – geschlossen. Es handelte sich um einen dreiseitigen Vertrag zwischen dem Kläger, Firma A. und Firma B.. Danach wurde in der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2007 ein befristetes Arbeitsverhältnis begründet und sog. Kurzarbeit Null (§ 216b Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III –) umgesetzt. Zugleich wurden Integrations- und Qualifizierungsmaßnahmen angeboten. Der Kläger erwarb einen Anspruch auf den Bezug von Transferkurzarbeitergeld (i. H. v. 60 bzw. 67 % der Nettoentgeltdifferenz im Anspruchszeitraum) nach den gesetzlichen Bestimmungen (§§ 178, 129 SGB III). Zudem stockte die Firma B. das Transfer-Kurzarbeitergeld auf 84 % des bisherigen Bruttomonatsentgelts auf (Ziffer 2 des Vertrags vom 29. Dezember 2006). Weiterhin sollte eine sog. Überbrückungshilfe gezahlt werden, falls der Arbeitnehmer erst am 31. Dezember 2007 aus der Firma B. ausschied und zu diesem Zeitpunkt keinen neuen Arbeitsplatz gefunden hatte (Ziffer 6 des Vertrags vom 29. Dezember 2006).

Da der Kläger tatsächlich erst am 31. Dezember 2007 aus der Firma B. ausschied und bis zu diesem Zeitpunkt keinen neuen Arbeitsplatz gefunden hatte, erhielt er im Jahr 2007 – neben dem monatlich ausgezahlten Transferkurzarbeitergeld und den entsprechenden Aufstockungsbeträgen – eine Überbrückungshilfe i. H. v. 190.333,01 EUR. Ab 1. Januar 2008 war er arbeitslos.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 deklarierten die Kläger die Abfindung (190.333,01 EUR), die Zuzahlungen zum Kurzarbeitergeld (49.089 EUR) sowie den geldwerten Vorteil aus der Ausübung von Aktienoptionsrechten (12.760 EUR) als Entschädigungen sowie das Kurzarbeitergeld (19.757 EUR) als steuerfreie Einnahme. Die Lohnsteuerbescheinigung des Klägers wies einen Bruttoarbeitslohn von 239.422,01 EUR, Kurzarbeitergeld von 19.757,65 EUR sowie nicht ermäßigt besteuerte steuerpflichtige Entschädigungen und Arbeitslohn für mehrere Jahre von 190.333,01 EUR aus. Der Bruttoarbeitslohn setzte sich aus letzterem Betrag sowie den Zuzahlungen zum Kurzarbeitergeld i. H. v. 49.089 EUR zusammen.

Im Einkommensteuerbescheid vom 19. Mai 2008 setzte der Beklagte einen Bruttoarbeitslohn von 252.182 EUR an, der sich aus der Abfindung i. H. v. 190.333 EUR, dem geldwerten Vorteil aus der Ausübung von Aktienoptionsrechten i. H. v. 12.760 EUR und den Zuzahlungen zum Kurzarbeitergeld i. H. v. 49.089 EUR zusammensetzte. Von dem zu versteuernden Einkommen i. H. v. 238.625 EUR wurden 48.292 EUR nach der Splittingtabelle und 190.333 EUR nach § 34 Abs. 1 EStG versteuert. Das Kurzarbeitergeld i. H. v. 19.757 EUR wurde in die Berechnung des Steuersatzes einbezogen (Progressionsvorbehalt). Dagegen legten die Kläger rechtzeitig Einspruch ein und machten geltend, die Zuzahlungen zum Kurzarbeitergeld stellten ebenfalls eine Entschädigung wegen entgangener Einnahmen dar und seien gemäß §§ 34 Abs. 2 Nr. 2, 24 Nr. 1a EStG ermäßigt zu besteuern.

Mit Bescheid vom 27. August 2008 wurde die Einkommensteuerfestsetzung 2007 dahingehend abgeändert, dass der geldwerte Vorteil aus der Ausübung von Aktienoptionsrechten i. H. v. 12.760 EUR ebenfalls tarifermäßigt besteuert wurde. Von dem zu versteuernden Einkommen i. H. v. 238.625 EUR wurden 35.532 EUR nach der Splittingtabelle und 203.093 EUR nach § 34 Abs. 1 EStG versteuert.

Durch Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 2009 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Aufstockungsb...

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