rechtskräftig

 

Tatbestand

Der Kläger ist … Pfarrer. Als „Militärsteuerverweigerer” aus Gewissensgründen begehrt er die Herabsetzung der Einkommensteuer 1989 und 1990 gemäß § 163 AO aus Billigkeitsgründen. Er begründet dies damit, daß die Entrichtung von Steuern seine Gewissensfreiheit des Art. 4 Abs. 1 Grundgesetz verletze. Solange der Staat ihm keine gewissensneutrale Alternative biete, sei er insoweit nicht steuerpflichtig, als die Steuerzahlung ihn in seinem Grundrecht der Gewissensfreiheit verletze. Es verletze sein Gewissen und bedeute für ihn eine erhebliche Härte und Unbilligkeit, für das Militär, das in seinen Augen ein Verbrechen sei, finanziell beizutragen.

Aus diesem Grunde beantragte er bei seiner Einkommensteuererklärung 1989 die Herabsetzung der Steuerschuld gemäß § 163 AO – hilfsweise Erlaß gemäß § 227 AO – um 100 % sowie hilfsweise um 10 % und bei seiner Einkommensteuererklärung 1990 die Herabsetzung bzw. hilfsweise den Erlaß der Steuerschuld um 10 %. Das Finanzamt ließ den Antrag auf Steuererlaß im Einkommensteuerbescheid für 1989 vom 18.02.1991 unberücksichtigt, im Einkommensteuerbescheid 1990 vom 27.03.1992 lehnte es ihn unter Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts Münster III K 5170/91 L ab. Den gegen die Ablehnung der Billigkeitsmaßnahmen vom Kläger eingelegten Einspruch wertete das Finanzamt als Beschwerde und legte sie der Oberfinanzdirektion … zur Entscheidung vor. Mit Beschwerdeentscheidung vom 30.09.1992 wies die Oberfinanzdirektion die Beschwerde als unbegründet zurück. Sie begründete dies u. a. damit, daß die Freiheit des Gewissens nur in den Grenzen ausgeübt werden könne, die durch die verfassungsmäßige Ordnung gezogen werden. Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung, die die Gewissensfreiheit im Einzelfall begrenzen kann, sei insbesondere das Recht der Volksvertretung zu entscheiden, in welchem Umfang Haushaltsmittel für die einzelnen öffentlichen Zwecke verlangt und eingesetzt werden sollen. Würde das Grundrecht auf Gewissensfreiheit dahin verstanden, daß damit auch das Recht verbunden wäre, Steuern wegen ihrer Verwendung zu Verteidigungszwecken nicht zahlen zu müssen, so wäre damit die Funktionsfähigkeit der gesetzgebenden Körperschaften in Frage gestellt.

Im Klageverfahren trägt der Kläger im wesentlichen ergänzend vor:

Anders als in dem bereits von ihm vor dem Finanzgericht Düsseldorf geführten Verfahren (14 K 823/85 AO Urteil vom 14.03.1990) begehre er nicht mehr Umwidmung des Militärsteueranteils, die einen Eingriff in die Gewaltenteilung bzw. das Budgetrecht des Parlaments bedeute. Es liege in der Kompetenz des Finanzamtes, darüber zu entscheiden, in welcher Höhe die Steuern festgesetzt und eingezogen werden. Diese Entscheidung nach § 163 AO bedeute keinen Eingriff in das Budgetrecht des Parlamentes, weil es sich um Geldbeträge handele, die gemäß Festsetzung dem Staat nicht zustehen. Das Bundesverfassungsgericht habe mehrfach ausgeführt, daß ungeachtet der Verfassungsmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung es beim Gesetzesvollzug in besonderen Fällen zur Milderung unbilliger Härten zum Steuererlaß aus Billigkeitsgründen kommen könne. Bei einer Kollision von Gewissensfreiheit und Steuergesetz –wie hier– sei eine Billigkeitsregelung nach § 163 AO die geeignete Lösung, da sie nicht in Konflikt mit der Budgethoheit des Parlaments gerate. Es gehe um eine Regelung seines Einzelfalles, für den § 163 AO ausdrücklich vorgesehen sei. Billigkeit sei die Gerechtigkeit des Einzelfalles, worauf er sich berufe. Er klage nicht für eine generelle Regelung etwa dahingehend, daß dem Parlament irgendeine Haushaltsregelung untersagt werden solle, sondern er klage nur für sein persönliches individuelles Recht, nicht zum Töten beitragen zu müssen. Dabei sei auch der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Im Verhältnis zum Rüstungsetat bilde seine Steuerleistung einen ganz geringen Beitrag (weniger als 1/1.000.000), der als Wert im Falle der Stattgabe seiner Anträge für den Staat nicht spürbar sei. Unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung, einschließlich derjenigen des Bundesverfassungsgerichts, gelangt der Kläger zu der Auffassung, daß bisher von den Gerichten die Gewissensnot der Militärsteuerverweigerer nicht als solche gewürdigt sondern negiert worden sei. Es werde nicht gesehen, daß sie sich durch ihre Steuerzahlung belastet fühlen wie bei einer Beihilfe zum Mord.

All dies habe das Finanzamt nicht gesehen und sein Ermessen nicht sachgerecht ausgeübt. Durch die Berührung des Grundrechts der Gewissensfreiheit sei das Ermessen auf 0 reduziert worden, so daß den Anträgen hätte stattgegeben werden müssen. Im übrigen sei in seinem Falle keine Mißbrauchsgefahr oder Bereicherungsabsicht gegeben, da er sich bereit erklärt habe –wenn auch auf andere Weise– zu den Gemeinschaftsaufgaben des Staates finanziell beizutragen.

Außer auf die Gewissensfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG stütze er sich auch auf Völkerrechtsverletzung, wozu er nach Art. 25 GG ebenfalls nicht ge...

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