Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerrechtliche Einordnung des vom Erwerber einer Eigentumswohnung dem Veräußerer erstatteten Disagio als Anschaffungskosten bzw. Werbungskosten

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zahlungen zur anteiligen Erstattung eines Disagios, die der Erwerber einer Eigentumswohnung an den Veräußerer leisten muss, können als sofort abzugsfähige Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtung des gesamten Vorgangs als Vergütung für die Überlassung von Kapital zur Finanzierung der Anschaffungskosten des Erwerbers anzusehen sind.
  2. Lässt sich der Veräußerer hingegen nur seine eigenen Aufwendungen für die Baukostenfinanzierung ersetzen, so liegen Anschaffungskosten des Erwerbers vor.
  3. Auch vor Fälligkeit des Kaufpreises an den Veräußerer geleistete Geldbeschaffungskosten können Werbungskosten sein, wenn sie als Entgelt für die Überlassung der mit dem übernommenen Darlehen verbundenen günstigen Konditionen zu qualifizieren sind und der Kaufpreis – trotz äußerlicher Verknüpfung beider Rechtsgeschäfte in einer Notarurkunde – unabhängig von den Konditionen der Schuldübernahme festgelegt wird.
  4. Ist die wirtschaftliche Zuordnung zu den Geldbeschaffungskosten eindeutig, ist eine Formulierung im Kaufvertrag, wonach auch das anteilige Disagio zum Kaufpreis gehört, unschädlich.
 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1, § 21

 

Streitjahr(e)

2003

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.05.2009; Aktenzeichen IX R 40/08)

BFH (Urteil vom 12.05.2009; Aktenzeichen IX R 40/08)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Zahlungen zur anteiligen Erstattung eines Disagios, die der Erwerber einer Eigentumswohnung an den Veräußerer leisten muss, als sofort abzugsfähige Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 des EinkommensteuergesetzesEStG –) oder als im Wege der Abschreibung zu berücksichtigende Anschaffungskosten der Wohnung zu behandeln sind.

Der Kläger ist ledig und erzielte im Streitjahr 2003 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung.

Der Kläger erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 9. Dezember 2003 eine zu diesem Zeitpunkt im Bau befindliche Eigentumswohnung in einem Mehrfamilienhaus in A-Stadt von der Wohnungsbau A-Stadt GmbH, einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft. Gemäß Ziffer II. (1) des Kaufvertrags betrug der Kaufpreis 193.810,- EUR und setzte sich zusammen „aus einem Entgelt für den Grundbesitzerwerb in Höhe von 178.350,- EUR und einem anteiligen, aus der Finanzierung übernommenen Disagio in Höhe von 15.460,- EUR”.

Der Kläger finanzierte diese Beträge durch Aufnahme zweier Darlehen der Sparkasse A-Stadt über 108.910,- EUR bzw. 85.000,- EUR am 11. Dezember 2003. Dabei löste er ein bestehendes Darlehen der Wohnungsbau A-Stadt GmbH bei der Sparkasse A-Stadt teilweise, d.h. soweit dieses auf die erworbene Eigentumswohnung entfiel, im Wege der Schuldübernahme ab, wobei sowohl der Nominalzinssatz (3,99 % p.a.) als auch die laufende Zinsbindung (bis 6. August 2012) fortgeführt wurden. Im Gegenzug verpflichtete sich der Kläger gegenüber der Verkäuferin der Eigentumswohnung, das von dieser im Jahr 2002 an die Sparkasse A-Stadt gezahlte Disagio i.H.v. 10 % anteilig – im Verhältnis der verbleibenden Zinsbindung bis zum 6. August 2012 (104 Monate) zur gesamten Laufzeit – zu erstatten. Daraufhin zahlte der Kläger am 23. Dezember 2003 einen Betrag i.H.v. 89.175,- EUR als Teilentgelt für den Grundbesitzerwerb sowie 15.460,- EUR als Disagio an die Wohnungsbau A-Stadt GmbH. Für die Umschreibung des Darlehens fielen Kosten i.H.v. 500,- EUR an. Die auf den Kläger entfallenden Schuldzinsen für das Jahr 2003 beliefen sich auf 86,29 EUR.

Die Eigentumswohnung wurde im Januar 2004 fertig gestellt. Die Vermietung der Wohnung erfolgte ab Februar 2004. Ab diesem Zeitpunkt erzielt der Kläger Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung.

Der Kläger machte die Zahlung für das Disagio i.H.v. 15.460,- EUR, die damit in Zusammenhang stehenden Kosten i.H.v. 500,- EUR sowie die Schuldzinsen i.H.v. 86,29 EUR in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2003 als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend.

Der Beklagte veranlagte den Kläger zunächst mit unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenem Bescheid vom 3. Juni 2004 erklärungsgemäß. Mit Bescheid vom 11. Januar 2006 änderte der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2003 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 Abs. 2 der AbgabenordnungAO – und behandelte das Disagio nebst den damit in Zusammenhang stehenden Kosten i.H.v. insgesamt 16.046,29 EUR nicht als sofort abzugsfähige Werbungskosten, sondern als Anschaffungskosten der Eigentumswohnung. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wurden entsprechend erhöht. Der Beklagte begründete dies damit, dass es sich bei den Aufwendungen nicht um übliche Finanzierungskosten handele, sondern um Kaufpreisbestandteile.

Der Kläger legte gegen den Einkommensteuerbescheid am 25. Ja...

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