rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerfreiheit von Zinsen, die nach Ablauf von zwölf Jahren zu dem laufenden Vertrag ausgezahlt werden

 

Leitsatz (redaktionell)

Zinsen aus einer Vorsorgezwecken dienenden Kapitallebensversicherung gehören in analoger Anwendung des Befreiungstatbestands bei Vertragsrückkauf nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, wenn sie nach Ablauf von 12 Jahren seit Vertragsschluss bei weiterlaufendem Vertrag isoliert ausgezahlt werden (gegen R. 154 Abs. 1 Satz 4 Buchst. a EStR 2001).

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 2b, § 20 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 1-2; EStR R.154 Abs. 3 S. 4 Buchst. a

 

Streitjahr(e)

1998

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.10.2005; Aktenzeichen VIII R 87/03)

 

Tatbestand

I.

Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der am 21. März 1946 geborene Kläger schloss 1982 bei der „Q"-AG, einem Unternehmen der „W” Gruppen, eine als „E” -Police bezeichnete Kapitalversicherung mit Sparanteil auf den Erlebens- oder Todesfall gegen Jahresbeiträge in Höhe von 4.850 DM ab. Die Versicherung begann am 1. April 1982 und endete am 1. April 2002. Die Versicherungssumme betrug 106.247 DM.

Die „W1” zahlte am 1. September 1998 Zinsen i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die Zeit vom 1. April 1982 bis zum 1. September 1998 in Höhe von 16.102,13 DM an den Kläger aus. Dies entspricht Kapitalerträgen in Höhe von 17.500 DM abzüglich darauf unter Berücksichtigung des Sparer-Freibetrags und des Werbungskosten-Pauschbetrags für zusammen veranlagte Ehegatten entfallender Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlags von zusammen 1.397,87 DM.

Der Beklagte setzte diese Kapitalerträge, wie von den Klägern erklärt, bei der Festsetzung der Einkommensteuer für das Streitjahr (1998) durch Bescheid vom 10. September 1999 als Einnahmen aus Kapitalvermögen an. Durch Bescheid vom 4. Oktober 1999 hob er den dem Erstbescheid beigefügten Vorbehalt der Nachprüfung auf.

Die Kläger legten dagegen Einspruch ein, mit dem sie sich unter Hinweis auf die Laufzeit der Lebensversicherung von mehr als zwölf Jahren gegen die Besteuerung der im Streitjahr ausgezahlten Kapitalerträge wandten. Während des Einspruchsverfahrens setzte der Kläger die Ansprüche aus der Lebensversicherung in Höhe von 100.000 DM zur Sicherung eines Darlehens über 55.000 DM ein, das die Stadtsparkasse „R” der „A"-GmbH aufgrund eines Vertrags vom 26. Oktober 1999 gewährt hatte. Dieses Darlehen diente in Höhe eines Teilbetrags von 30.000 DM der Finanzierung sogenannter Source-Programme (Individualprogrammierung von Standardsoftware) und im Übrigen als Kontokorrentkredit.

Der Beklagte wies den Einspruch nach Erlass eines nach § 175 Abs. 1 Satz Nr. 1 der Abgabenordnung geänderten Einkommensteuerbescheids vom 9. März 2000 unter Hinweis darauf, dass der Versicherer die Zinsen aus der Lebensversicherung „zu dem laufenden Vertrag” und nicht aus Anlass seines Rückkaufs ausgezahlt habe, durch Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2000 als unbegründet zurück.

Mit ihrer Klage halten die Kläger an der Ansicht fest, dass die Zinsen nicht der Einkommensteuer unterlägen, weil die Beiträge zu der Versicherung im Hinblick auf die Vertragslaufzeit von mehr als zwölf Jahren als Sonderausgaben abziehbar seien.

Sie beantragen,

den Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 9. März 2000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2000 dahin abzuändern, dass die Einkommensteuer auf 24.908 DM festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest, weil im Streitfall bei unverändertem Fortbestehen der Versicherung lediglich ein Teilbetrag des Überschussguthabens ausgezahlt worden sei.

Das Gericht hat die den Streitfall betreffende Steuerakte des Beklagten beigezogen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Klage ist begründet.

1. Die Zinsen, die der Kläger aus der Lebensversicherung erhalten hat, gehören nach der im Streitfall analog anzuwendenden Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen.

a) Allerdings handelt es sich bei den dem Kläger im Streitjahr zugeflossenen Zinsen um außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus Sparanteilen, die in den Beiträgen zu der Lebensversicherung bei der „W1” enthalten waren, und damit begrifflich um Einnahmen aus Kapitalvermögen i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG.

b) Die von den Klägern begehrte Steuerfreiheit kann auch nicht unmittelbar aus der Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG abgeleitet werden. Zwar handelt es sich um Zinsen aus Versicherungen i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b EStG. Es liegt aber keiner der in § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG ausdrücklich erwähnten Befreiungstatbestände vor; denn der Kläger hat die strittigen Zinsen weder dazu verwendet, sie mit Beiträgen zu verrechnen, noch war der Versicherungsfall eingetreten. Auch ein Rückkauf des Vertrags liegt nicht vor. Dieser bestand vielmehr fort; es kam lediglich zur Auszah...

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