Entscheidungsstichwort (Thema)

Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung – Rechtsstreit gegen Bauträger wegen Besitzübertragung – Zustimmung zur Auflassung und Beseitigung von Baumängeln

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die Kosten eines Zivilprozesses, in dem der Stpfl. die Besitzübertragung, die Zustimmung zur Auflassung sowie die Beseitigung von Baumängeln einer von einer Bauträgergesellschaft zu errichtenden Doppelhaushälfte geltend gemacht hat und nach zum ganz überwiegenden Teil obsiegendem Urteil als Zweitschuldner für die von dem unterlegenen –zwischenzeitlich insolventen – Bauträger zu tragenden Gerichtskosten in Anspruch genommen wird, sind nach Abzug der zumutbaren Eigenbelastung als außergewöhnliche Belastungen abziehbar.
  2. Dies folgt sowohl aus der wirtschaftlich existenziellen Bedeutung des Prozessgegenstandes i.S.d. der früheren Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9.5.1996, BStBl II 1996, 596) als auch aus der evident nicht mutwilligen Prozessführung i.S.d. BFH- Urteils vom 12.5.2011 VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015.
 

Normenkette

EStG § 33 Abs. 1

 

Streitjahr(e)

2010

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.11.2015; Aktenzeichen VI R 38/14)

BFH (Urteil vom 19.11.2015; Aktenzeichen VI R 38/14)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Berücksichtigung von Gerichtskosten aus einem Zivilprozess in Höhe von 8.726 € als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG streitig.

Die Kläger erwarben mit Vertrag vom 26.10.2005 eine von dem Verkäufer, einer Bauträgergesellschaft, noch zu errichtende Doppelhaushälfte in „A” zum Preis von 266.927 €. Im Jahr 2007 kam es im Zusammenhang mit der Fertigstellung und Übergabe des Gebäudes zum Streit, der zu einem im Namen der Klägerin geführten Rechtsstreit vor dem Landgericht führte (). Die Klägerin obsiegte in diesem Klageverfahren zum ganz überwiegenden Teil () - die Bauträgergesellschaft wurde jedoch im Jahr 2009 insolvent, so dass nach Abschluss des Verfahrens die Klägerin mit Rechnung der Gerichtskasse vom 26.2. als haftende Zweitschuldnerin für die von der unterlegenen Partei zu tragenden Verfahrenskosten (88 % = 8.726,25 €) in Anspruch genommen wurde.

Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2010 machten die Kläger diese Zahlung als außergewöhnliche Belastung geltend und bezogen sich dabei auf eine neue Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Berücksichtigungsfähigkeit von Zivilprozess-kosten gemäß § 33 EStG, „... soweit die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig sei” (Urteil vom 12.5.2011, VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015).

Der Beklagte lehnte eine Berücksichtigung der Kosten im Veranlagungsbescheid ab.

Auch der dagegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führt der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 14.8.2012 aus, er sei durch einen Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 20.12.2011 angewiesen, die von den Klägern in Bezug genommene Entscheidung des Bundesfinanzhofs nicht über den Einzelfall hinaus anzuwenden.

Mit der dagegen erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Rechtsschutzziel weiter.

Die Kläger beantragen,

den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2010 in der letzten Fassung vom 22.3.2012 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 14.8.2012 dahin zu ändern, dass zusätzliche Aufwendungen von 8.726 € als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, nach der für ihn maßgebenden früheren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs komme eine Berücksichtigung der Prozesskosten allenfalls insoweit in Betracht, als der Zivilrechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existenziell wichtigen Bereich berühre und die Verfolgung seiner rechtlichen Interessen existenziell erforderlich gewesen sei. Von letzterem könne vorliegend nur ausgegangen werden, soweit die Klägerin die Übertragung des Grundstücks eingeklagt, nicht aber soweit sie auch auf Schadensersatz wegen der Beseitigung von Baumängeln sowie wegen Verzugsschäden geklagt habe. Vor diesem Hintergrund komme nur eine anteilige Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen, berechnet nach dem Verhältnis der Streitwerte, in Betracht.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2010 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Der Beklagte hat die geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 8.726 € zu Unrecht nicht als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG berücksichtigt.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt, § 33 Abs. 1 EStG. Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach bisheriger ständiger Rechtsprechu...

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