Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Absenkung der Altersgrenze auf 26 Jahre für berücksichtigungsfähige Kinder mit Vollendung des 24. Lebensjahres im Veranlagungszeitraum 2006 für den Anspruch auf Gewährung von Kindergeld

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Gegen die Absenkung der Altersgrenze für berücksichtigungsfähige Kinder in Berufsausbildung von 27 Jahre auf 25 Jahre durch § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG i. d. F. vom 19.7.2006 bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
  2. Der Umstand, dass mit der Entscheidung der Studienaufnahme zugleich eine in gewisser Weise „bindende” Entscheidung für zukünftige Jahre verbunden ist, führt nicht zu einer zwingend vom Gesetzgeber zu beachtenden Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Kindergeldberechtigten.
  3. Durch die Übergangsregelung des § 52 Abs. 40 EStG i. d. F. vom 19.7.2006 wird dem Vertrauensschutzinteresse hinreichend Rechnung getragen.
 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, § 52 Abs. 40; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3

 

Streitjahr(e)

2006

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.04.2013; Aktenzeichen III R 68/09)

BFH (Urteil vom 11.04.2013; Aktenzeichen III R 68/09)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Absenkung der Altersgrenze auf 26 Jahre für berücksichtigungsfähige Kinder, die im Veranlagungszeitraum 2006 das 24. Lebensjahr vollendet haben, verfassungsgemäß ist.

Der Kläger erhielt vom dem Beklagten fortlaufend Kindergeld für seine Zwillingskinder (geboren am 13.7.1982), die im Streitjahr 2008 beide noch einem Studium nachgingen und in diesem Jahr jeweils über Einkünfte und Bezüge unterhalb des Grenzbetrags verfügten.

Im Hinblick auf die Neuregelung des Kindergeldrechts hob der Beklagte mit Bescheid vom 29.10.2008 (einem Donnerstag) und gestützt auf § 70 Abs. 2 des EinkommensteuergesetzesEStG – zunächst die Festsetzung für das 1. Kind ab dem 1.8.2008, d.h. ab dem Monat nach Vollendung des 26. Lebensjahres, auf. Die Bekanntgabe erfolgte mit einfachem Brief.

Gegen den Aufhebungsbescheid für das Kind legte der Kläger mit Schreiben vom 30.11.2008, eingegangen bei der Beklagten am 2.12.2008 Einspruch ein und führte aus: Der Bescheid vom 29.10.2008 sei am 1.11.2008 eingegangen. Die Absenkung der Altersgrenze sei ihm nicht zumutbar. Seine sechsköpfige Familie sei auf das Kindergeld angewiesen. Seine Ehefrau sei nur geringfügig beschäftigt. Seine beiden Töchter studierten (seit dem Wintersemester – WS – 2003/2004 bzw. seit dem WS 2002/2003). Auch der 25-jährige Sohn gehe einem Studium nach. Der jüngste Sohn (20 Jahre) absolviere zurzeit eine Berufsausbildung. Der doppelte Wegfall des Kindergelds, einhergehend mit dem Fortfall des Familienzuschlags, treffe ihn finanziell empfindlich; ihm stünden monatlich in Summe 711,42 Euro netto weniger zur Verfügung. Auch müssten sich die Kinder nach dem parallelen Wegfall der Beihilfeberechtigung zu 100% krankenversichern. Hinzu kommen, dass im Jahre 2009 auch das Kindergeld für den 25-jährigen Sohn wegfallen werde. Die durch die Herabsetzung der Altersgrenze verursachte massive Reduzierung der Einkünfte, die durch die besondere Konstellation (Zwillinge und ein Jahr jüngeres Kind) bedingt sei, habe der Gesetzgeber wohl nicht bedacht. Insoweit müsse eine Sonderregelung gelten.

Mit Bescheid vom 1.12.2008 hob der Beklagte sodann mit der gleichen Begründung die Festsetzung für das 2. Kind ab dem 1.8.2008 auf. Hiergegen legte der Kläger im Dezember 2008 Einspruch ein.

Die Einsprüche blieben ohne Erfolg (Einspruchsentscheidungen vom 9.1.2009). Hinsicht des Einspruchs betreffend die Aufhebung des Kindergelds für das 1. Kind führte der Beklagte aus, dass dieser verfristet sei. Bezüglich des Einspruchs gegen die Aufhebung des Kindergelds für das 2. Kind berief sich der Beklagte auf die Neuregelung des § 32 Abs. 4 i.V.m. § 52 Abs. 40 EStG.

Mit Schriftsatz vom 10.2.2009 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben und die Inkraftsetzung der früheren Gesetzesregelung begehrt. Ergänzend und vertiefend führt er aus: Die Neuregelung sei verfassungswidrig. Sie verstoße gegen Artikel 3 des Grundgesetzes – GG –. Denn im Beihilferecht des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) seien zwischenzeitlich Übergangsregelungen geschaffen worden, wonach Kinder weiterhin bis zur bisherigen Altersgrenze (27. Lebensjahr) beim Beihilfeanspruch und beim Bemessungssatz der Beihilfeberechtigten berücksichtigt würden, wenn sie bis zum WS 2006/2007 ein Studium an einer Hochschule oder Fachhochschule aufgenommen hätten. Insoweit bestehe das Problem der privaten Krankenversicherung zwar nicht mehr, entsprechende Übergangsregelungen müssten zur Wahrung des Artikels 3 GG aber auch bei der Kindergeldgewährung geschaffen werden. Zudem bestehe auch ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers. Die Kinder hätten unter anderem im Hinblick auf das Kindergeld ihr Studium gestaltet. Der Frage, wie lange Kindergeld gewährt werden würde, komme insoweit keine nur untergeordnete Bedeutung zu.

Nachdem der Beklagte mit inhaltsgleicher Einspruchsentscheidung vom 3.8.2009 den Einspruch als z...

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