Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlass einer Kindergeldrückforderung aus sachlichen Billigkeitsgründen – Weiterleitung bei Wechsel der Haushaltszugehörigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine auf dem Wechsel der Haushaltszugehörigkeit des Kindes beruhende Kindergeldrückforderung ist unter Beachtung der ermessenslenkenden Regelung im VII. Abschnitt V 36 der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem EStG (DA-KG) bei Vorliegen einer wirksamen Weiterleitungserklärung der nunmehr berechtigten Person aus sachlichen Billigkeitsgründen ohne verbleibenden Ermessensspielraum der Familienkasse auch dann zu erlassen, wenn der Erstattungsschuldner durch die nicht zeitnahe Benachrichtigung der Familienkasse über die Beendigung der Haushaltsgemeinschaft seine Mitwirkungspflichten verletzt hat und ihm deshalb eine zur Verlängerung der Festsetzungsfrist führende Steuerhinterziehung anzulasten ist.

 

Normenkette

AO § 227; EStG § 64 Abs. 2 S. 1, § 68; FGO § 102

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 19.05.2022; Aktenzeichen III R 16/20)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob eine Kindergeldrückforderung aus sachlichen Billigkeitsgründen nach § 227 der Abgabenordnung -AO- erlassen werden kann bzw. muss.

Mit mangels Anfechtung rechtskräftig gewordenem Urteil des hiesigen Gerichts vom 04.07.2018 (Az. 2 K 2129/17 Kg) wurde die Klage des Klägers gegen den Bescheid vom 21.06.2016, geändert durch Bescheid vom 27.06.2018, abgewiesen. Mit diesem Bescheid war die Kindergeldfestsetzung zugunsten des Klägers für seine drei Kinder für den Zeitraum 01.07.2005 bis 31.12.2009 aufgehoben und der Betrag (zzgl. Nebenleistungen) von insgesamt 25.380 € von ihm zurückgefordert worden. Der erkennende 2. Senat führte in seinem Urteil u. a. aus, dass der Kläger - mangels wahrer Angabe einer fortdauernden Haushaltszugehörigkeit seiner Kinder - sowohl eine Steuerhinterziehung als auch eine leichtfertige Steuerverkürzung begangen habe; ob auf die Rückforderung im Hinblick auf die Weiterleitungserklärungen der Kindesmutter im Billigkeitswege verzichtet werden könne, müsse die Beklagte in einem gesonderten Verfahren entscheiden.

Im Strafverfahren gegen den Kläger war schon zuvor, am 21.12.2016, eine Geldbuße von 300 € wegen (bloßer) Leichtfertigkeit festgesetzt worden; einen Vorsatz verneinte die Behörde im Hinblick auf die notariell verpflichtende und auch erfüllte Weiterleitung des Kindergeldes an die Kindesmutter.

Bereits am 26.07.2016, mit Begründung des Einspruchs gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid, hatte der Kläger einen Antrag auf Erlass der Rückforderung aus Billigkeitsgründen gestellt. Der Kläger hatte darauf verwiesen, sich mit notarieller Urkunde vom 17.10.2003 - also noch vor Aufgabe des gemeinsamen Haushalts mit den Kindern (bis 2005 getrenntes Wohnen der Eltern im selben Haus in Z-Stadt mit jeweils gleichberechtigtem Kontakt zu den Kindern) - der Kindesmutter gegenüber verpflichtet zu haben, das an ihn gezahlte Kindergeld an sie weiterzuleiten, nebst den sonstigen Unterhaltszahlungen. Dies habe er stets erfüllt, wie seine damalige Ehefrau mit der umfassenden Weiterleitungserklärung bestätigt habe; diese sehe ihre sämtlichen Ansprüche als erfüllt an. Zudem habe die Beklagte das Auftreten der Verjährungsproblematik mitverschuldet. Obwohl er ihr am 06.05.2011 mitgeteilt habe, seine Wohnung in Y-Stadt aufgegeben zu haben und ins Ausland umgezogen zu sein, habe die Beklagte weder Fragen zu einem Wohnort in Y-Stadt gestellt (vorheriger Haushalt war in Z-Stadt) noch die laufende Kindergeldzahlung eingestellt. Mangels Entscheidung über den Erlassantrag legte der Kläger am 04.07.2018 einen Untätigkeitseinspruch ein. Daraufhin erließ die Beklagte am 24.08.2018 eine Einspruchsentscheidung, mit der sie den Einspruch als unbegründet zurückwies. Sachliche Billigkeitsgründe seien zu verneinen; die vom Kläger gerügte Nichtreaktion der Familienkasse betreffe nicht den hier streitigen Zeitraum (bis 31.12.2009). Auch persönliche Billigkeitsgründe lägen nicht vor, weil eine wirtschaftliche Existenzgefährdung schon angesichts der zeitnahen Rückzahlung der Forderung - die der Kläger unstreitig in Höhe der Klagesumme von 25.380 € vorgenommen hat - zu verneinen sei.

Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Beklagte habe sich mit seinen Ausführungen in keiner Weise auseinander gesetzt, so dass ein Ermessensnichtgebrauch oder zumindest ein Ermessensfehlgebrauch vorliege; hier sei sogar eine Ermessensreduktion auf Null zu seinen Gunsten anzunehmen. In der Sache ergänzt der Kläger, in seiner Laiensphäre geglaubt zu haben, mit der notariellen Regelung zur Weiterleitung des Kindergeldes an seine damalige Frau allen Pflichten genügt zu haben. Der Gesetzgeber hätte für hier streitige Frage - wenn er sie denn gesetzlich geregelt hätte - mutmaßlich einen Erlass vorgesehen. Das Kindergeld sei den Kindern uneingeschränkt zugutegekommen. Die anspruchsberechtigte Kindesmutter habe mit der Weiterleitungserklärung die Erfüllung ihrer Forderungen bestätigt u...

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