Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch eines polnischen Staatsbürgers bei lediglich kurzfristiger Tätigkeit im Inland – Ausschließliche Mitgliedschaft in der polnischen Sozialversicherung sowie Anwendbarkeit des deutschen Kindergeldrechts nach der VO (EWG) 1408/71

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der Anspruch eines unbeschränkt steuerpflichtigen polnischen Arbeiternehmers mit Familienwohnsitz in Polen auf deutsches Kindergeld während einer 12 Monate unterschreitenden nichtselbständigen Tätigkeit im Inland wird durch das europäische Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen, wenn er für den Anspruchszeitraum auf Grund seiner in Polen ausgeübten selbständigen Tätigkeit in der polnischen Sozialversicherung sozialversichert ist, keine Beiträge in die deutsche Sozialversicherung entrichtet und deshalb für das Arbeitsverhältnis vorrangig und ausschließlich polnisches Sozialversicherungsrecht gilt.
  2. Deutsches Kindergeldrecht ist mangels eines Anwendungsbefehls zugunsten des nationalen Rechts in §§ 62 ff. EStG nicht anwendbar, wenn nach der VO (EWG) 1408/71 das Recht eines anderen Mitgliedstaats anwendbar ist.
 

Normenkette

EStG § 1 Abs. 3, § 62 Abs. 1 Nr. 2; VO (EWG) Nr. 1408/71 Art. 1 Buchst. a, Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 Buchst. h, Art. 13 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Buchst. a, Art. 14a Nr. 1 Buchst. a

 

Streitjahr(e)

2007

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 14.11.2013; Aktenzeichen III R 12/11)

BFH (Urteil vom 14.11.2013; Aktenzeichen III R 12/11)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Kindergeld für die Monate Juli bis November 2007.

Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger und der Vater der am 6. Mai 1991 geborenen „A” sowie der am 3. September 1993 geborenen „B” . Er lebt mit seiner Ehefrau und den Kindern in Polen.

Unter dem 15. Januar 2008 beantragte der Kläger – wie schon in den Jahren zuvor die Gewährung von Kindergeld. Dabei gab er an, in der Zeit von Juli 2007 bis November 2007 in Straelen unselbständig gearbeitet zu haben. Seine Ehefrau sei in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung weder selbständig noch unselbständig erwerbstätig gewesen.

Im Zusammenhang mit einem früher gestellten Antrag auf Gewährung von Kindergeld hatte der Kläger eine Bestätigung des Stadt- und Gemeindezentrums für Sozialhilfe in „C” vom 5. Juli 2007 vorgelegt, derzufolge die Ehefrau für die Kinder vom 1. September 2005 bis zum 31. August 2007 Kindergeld für beide Kinder erhalten hatte.

Die Arbeitszeit vom 12. Juli 2007 bis 10. November 2007 wurde vom deutschen Arbeitgeber des Klägers, der Gärtnerei „D”, bestätigt. Zugleich gab der Arbeitgeber an, eine Versicherungspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit bestehe nicht, „weil die Versicherungspflicht in Polen liegt ! (E 101)”.

Dazu überreichte der Kläger eine entsprechende Lohnsteuerbescheinigung für 2007. Danach hatte er während seines Aufenthalts in Deutschland 9.856,88 EUR brutto verdient.

Mit Bescheid vom 14. April 2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab.

Zur Begründung machte sie geltend, dem Kläger stünden Leistungen von einer Stelle außerhalb Deutschlands zu, die dem Kindergeld vergleichbar seien. Da der Kläger außerhalb Deutschlands erwerbstätig sei, sei das Kindergeld dort zu beantragen.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 2. Mai 2008 Einspruch ein.

Er trug vor, er sei 2007 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt worden, was sich aus dem beigefügten Einkommensteuerbescheid ergebe. Die Erwerbstätigkeit habe in Deutschland stattgefunden. Sein Kindergeldanspruch resultiere aus der bereits nachgewiesenen unbeschränkten Steuerpflicht nach dem EStG. Ihm hätten in Polen keine Leistungen zugestanden, die dem Kindergeld vergleichbar gewesen seien.

Dem beigefügt war der Einkommensteuerbescheid des Klägers für 2007 vom 4. März 2008.

Mit Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2008 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger unterliege für die Dauer seiner Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland den Sozialvorschriften Polens. Der Nachweis über die Fortgeltung der Sozialvorschriften seines Heimatlandes sei mit einer Bescheinigung E 101 geführt worden. Die Zuständigkeit des anderen Mitgliedstaates habe zur Folge, dass im vorliegenden Fall insgesamt auf die Vorschriften dieses Mitgliedstaates verwiesen werde und zwar unabhängig davon, ob und in welcher Höhe dort im konkreten Einzelfall eine Kindergeldzahlung vorgesehen sei. Auch die Zahlung von Aufstockungsbeträgen zwischen einem eventuell niedrigeren ausländischen Kindergeld und dem deutschen Kindergeld komme nicht in Betracht, da deutsches Kindergeldrecht nicht anwendbar sei.

Mit der am 26. Juni 2008 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Zur Begründung hat er zunächst geltend gemacht, er sei von seinem polnischen Arbeitgeber in die Bundesrepublik Deutschland entsandt worden. Er unterliege unstreitig in Deutschland keiner Sozialversicherungspflicht. Er sei in Deutschland tätig geworden und habe für seine Familienangehörigen Anspruch auf Familienleis...

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