Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Vollziehung wegen ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs; Schädlichkeit planvoll herbeigeführter Verluste

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung des vertikalen Verlustausgleichs (zwischen Einkünften verschiedener Einkunftsarten) kann jedenfalls insoweit ernstlich zweifelhaft sein, als die Verluste nicht auf der Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen i.S.d. BFH-Beschlusses vom 9.5.2001 XI B 151/00 (sog. „unechte” Verluste) beruhen.

2. Ein Verstoß der Mindestbesteuerungsregelung gegen das Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wird noch nicht dadurch ausgeschlossen, dass Verluste planvoll und bewusst in einem Veranlagungszeitraum herbeigeführt werden, um diese mit außergewöhnlich hohen positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten zu verrechnen.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 3 Sätze 3-5; FGO § 69 Abs. 3

 

Streitjahr(e)

2000

 

Tatbestand

Die Antragsteller erklärten für das Jahr 2000 neben positiven Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und einem Spekulationsgewinn aus der Veräußerung von Aktien Verluste aus Gewerbebetrieb, Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung. Die Verluste bzw. Werbungskostenüberschüsse des Antragstellers aus Gewerbebetrieb und Vermietung und Verpachtung sind überwiegend aus Beteiligungen des Antragstellers entstanden. Der Verlust aus Kapitalvermögen entstand dadurch, dass der Antragsteller im Kalenderjahr 2000 ein Agio i. H. v. 1 Mio. im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zerobonds geleistet hat. Die Werbungskostenüberschüsse der Antragstellerin aus Vermietung und Verpachtung sind bei der Vermietung von in Westdeutschland gelegenen Objekten entstanden.

Dem Einkommensteuerbescheid für 2000 vom 30.05.2001 legte der Antragsgegner bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens unter anderem von folgenden Besteuerungsgrundlagen zugrunde:

Antragsteller

Antragstellerin

Einkünfte aus Gewerbebetrieb

./. 610.000 DM

681 DM

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit

277.788 DM

128.750 DM

Einkünfte aus Kapitalvermögen

./. 957.867 DM

75 DM

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

- aus bebauten Grundstücken

./. 464.455 DM

./. 2.405 DM

- aus Beteiligungen

./. 2.129.010 DM

./. 3.697 DM

sonstige Einkünfte

3.875.073 DM

Der Antragsgegner ging in dem Einkommensteuerbescheid 2000 vom 30.05.2001 gemäß der ab 1999 geltenden Vorschrift des § 2 Abs. 3 Sätze 2 ff. Einkommensteuergesetz (EStG) bei negativen Einkünften von insgesamt 4.167.434 DM von einem ausgleichsfähigen Betrag von 2.241.543 DM aus, errechnete aus der Differenz der positiven Einkünfte von insgesamt 4.282.367 DM und dem ausgleichsfähigen Betrag der negativen Einkünfte einen Gesamtbetrag der Einkünfte von 2.040.824 DM und nach Abzug der Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastung ein zu versteuerndes Einkommen von 1.967.266 DM. Die darauf entfallende Einkommensteuer setzte der Antragsgegner auf 962.132 DM fest. Nach Berücksichtigung der Abzugssteuern und den bereits geleisteten Zahlungen ergaben sich folgende Nachzahlungsbeträge:

Einkommensteuer

828.524,10 DM

evangelische Kirchensteuer Ehemann

1.788 DM

Solidaritätszuschlag

45.591 DM

Insgesamt

875.903,10 DM

entspricht

447.842,14 €.

Die Antragsteller haben gegen den Einkommensteuerbescheid für 2000 Einspruch eingelegt mit dem Antrag, entgegen der Vorschrift des § 2 Abs. 3 S. 3 ff. EStG die positiven und negativen Einkünfte des Jahres 2000 in vollem Umfang auszugleichen. Über den Einspruch hat der Antragsgegner noch nicht entschieden.

Mit Verfügung vom 28.06.2001 hatte der Antragsgegner zunächst den gesamten Nachzahlungsbetrag gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 500.000 DM von der Vollziehung ausgesetzt. Nach Bekanntwerden des Beschlusses des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 09.05.2001 im Verfahren XI B 151/00 hob der Antragsgegner die unter Auflage ausgesprochene Aussetzung der Vollziehung vom 28.06.2001 mit Wirkung zum 25.07.2001 auf. Einen erneuten Antrag der Antragsteller auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner am 20.07.2001 unter erneutem Hinweis auf die Entscheidung des BFH vom 09.05.2000 ab. Daraufhin haben die Antragsteller Aussetzung der Vollziehung bei Gericht beantragt.

Sie wenden sich gegen die gesetzlichen Einschränkungen zur Verlustverrechnung, die sie unter Hinweis auf verschiedene Entscheidungen der Finanzgerichte für verfassungswidrig halten. Sie weisen darauf hin, dass die bei ihnen im Streitjahr 2000 entstandenen negativen Einkünfte sich grundlegend von den negativen Einkünften, welche dem Beschluss des BFH XI B 151/00 zu Grunde gelegen hätten, unterscheiden würden. Bei ihnen handele es sich insbesondere um einmalig auftretende Verluste aus der Sanierung einer Immobilie, die nur im Jahr der Entstehung steuerlich geltend gemacht werden könne. Die Verluste aus Vermietung und Verpachtung seien in keiner Weise durch eine Fördergebietsabschreibung bedingt, so dass es kein gesetzgeberisches Motiv einer Gegensteuerung ...

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