rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Schätzung. Schätzungsbefugnis. Durchführung der Schätzung. Jahresabschluss

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erstellt ein buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger einen Jahresabschluss, der lediglich auf der Auswertung der laufenden Konten „Jahresverkehrswerte”) beruht, so beseitigt dieser nicht die Schätzungsbefugnis des Finanzamts.

2. Bei der Durchführung der Schätzung ist zu prüfen, ob das durch den Jahresabschluss ausgewiesene Ergebnis wahrscheinlicher ist als die geschätzten Besteuerungsgrundlagen des Finanzamts.

 

Normenkette

AO § 150 Abs. 4, §§ 158, 162

 

Tenor

1. Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Die Klägerin, eine GmbH, betreibt ein Unternehmen, das den Heizungs- und Lüftungsbau nebst Kundendienst zum Gegenstand hat. Nachdem die Klägerin für das Streit jahr keine Steuererklärungen eingereicht hatte, schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen (Gewinn: 15.000 EUR, Dauerschuldzinsen: 5.000 EUR, Umsatz: 120.000 EUR) und erließ am 13. Dezember 2004 dementsprechende Bescheide zur Körperschaft- und Umsatzsteuer 2002. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein, den der Beklagte – nachdem keine Begründung erfolgte – mit Entscheidung vom 8. März 2005 als unbegründet zurückwies.

Am 11. April 2005 erhob die Klägerin durch Anbringung beim Beklagten Klage, die am 6. Mai 2005 beim Finanzgericht einging. Sie beantragt,

unter Änderung der Bescheide vom 13. Dezember 2004, alle in Form der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2005, die Körperschaftsteuer und die Umsatzsteuer 2002 unter Zugrundelegung des beim Beklagten am 16. August 2005 eingereichten Jahresabschlusses festzusetzen.

Die Auswertung der gesamten Geschäftsvorfälle bzw. der zwischenzeitlich erstellte Jahresabschluss zeige, dass ein Jahresverkehrswertverlust i.H.v. 16.709 EUR angefallen sei (Bl. 27 ff., 31 ff.). Zudem seien dem Beklagten die erwirtschafteten Umsätze sowie die Vorsteuerbeträge aufgestellt worden. Hiernach betrage die Umsatzsteuer 7.177 EUR (Bl. 37).

Der Beklagte beantragt,

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Eine betriebswirtschaftliche Auswertung könne die Abgabe der Steuerklärung nicht ersetzen, zumal bei dieser die Abschlussbuchungen noch nicht berücksichtigt seien. Es verbleibe deshalb bei der Schätzungsbefugnis. An der Schätzung halte der Beklagte fest.

Durch Verfügung vom 1. Februar 2006 hat der Vorsitzende die Klägerin unter Setzung einer Frist nach § 79b Abs. 3 FGG aufgefordert, bis zum 20. Februar 2006 alle Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung sie sich beschwert fühlt (BI. 63). Hierauf ist keine Reaktion erfolgt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Akten des Beklagten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht den Umsatz und Gewinn durch Schätzung ermittelt. Die Durchführung der Schätzung ist nicht zu beanstanden.

1. Schätzungsbefugnis des Finanzamtes

Das Finanzamt hat die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit es sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Insbesondere ist zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden (§ 162 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 AO). Nach § 158 AO sind der Besteuerung die Buchführung und die Aufzeichnungen zugrunde zu legen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen.

Das „Nicht-ermitteln-können” ist vor dem Hintergrund §§ 88, 90 AO zu verstehen. Hiernach haben der Steuerpflichtige und das Finanzamt gemeinsam die Grundlagen der Besteuerung zu ermitteln „Kooperationsmaxime”, Tipke/Kruse/Seer, AO, FGO, § 162 AO, Rdn. 4). Es besteht eine Wechselwirkung zwischen der Ermittlungspflicht des Finanzamtes und der Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen. Das Finanzamt braucht keine unverhältnismäßigen Anstrengungen zur Quantifizierung der Besteuerungsgrundlagen auf sich zu nehmen, wenn der Steuerpflichtige selbst nicht in ordnungsgemäßer Weise bei der Sachverhaltsermittlung mitwirkt. Der Innendienst des Finanzamtes hat keine nennenswerten Möglichkeiten, Sachverhalte ohne Mitwirkung des Steuerpflichtigen aufzuklären, soweit diese nicht in den Akten enthalten sind. Aber auch die Pflicht zur Verwertung in den Akten befindlicher Daten findet ihre Grenze dort, wo die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen einsetzt. Es ist nicht zumutbar, dass der Finanzbeamte Tätigkeiten vornimmt, die in ihrem Kernbereich Aufgabe des Steuerpflichtigen sind (z.B. Erstellung des Jahresabschlusses oder der Steuererklärung).

2. Durchführung der Schätzung

Die Höhe der Besteuerungsgrundlagen darf nur geschätzt werden, „soweit” sie nicht (exakt) ermittelt werden kann (§ 162 Abs. 1 S. 1 AO). Das Finanzamt hat also von der Steuererklärung a...

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