Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflegekindschaftsverhältnis bei kurzfristiger Aufnahme eines behinderten Kindes. Kindergeld

 

Leitsatz (redaktionell)

Lebt ein nach der Beendigung seines Heimaufenthalts zuvor mehr als zehn Jahre im Rahmen einer sog. professionellen Pflegestelle in einer Familie (sog. Pflegenestfamilie) aufgenommenes zu 100% behindertes Kind bis zur Bereitstellung eines neuen Heimplatzes einige Wochen erneut in der Familie und werden für diesen Aufenthalt Zahlungen für die Kost, die Unterkunft, die Betreuung sowie eines Barbetrages zur Abgeltung der persönlichen Bedürfnisse des Kindes geleistet, besteht kein Pflegekindschaftsverhältnis.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.06.2005; Aktenzeichen III R 80/03)

BFH (Urteil vom 30.06.2005; Aktenzeichen III R 80/03)

 

Tenor

1. Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

3. Den Beigeladenen werden Kosten weder auferlegt noch erstattet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger hat am 13. August 2000 beim Beklagten die Festsetzung von Kindergeld für den zu 100 v.H. behinderten autistischen A.B. (* 10. Januar 1983) als Pflegekind beantragt, das seit dem 20. Juni 2000 in seinem Haushalt lebe.

Der Beklagte hat den Antrag mit Bescheid vom 13. Oktober 2000 mit der Begründung abgelehnt, ein Pflegekindschaftsverhältnis liege nicht vor, weil A. nicht mit dem Kläger durch ein familienähnliches auf längere Dauer berechnetes Band verbunden sei. A. befinde sich seit dem 5. September 2000 (wieder) in Heimpflege.

Der am 19. Oktober 2000 beim Beklagten eingegangene Einspruch des Klägers wurde mit Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 2001 als unbegründet zurückgewiesen. Am 7. August 2001 hat der Kläger seine Klage beim Beklagten angebracht.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Oktober 2000 in Form der Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 2001 Kindergeld für A.B. ab Juni 2000 festzusetzen.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: A. lebe seit dem 1. August 1988 in der Familie des Klägers. Dieses Zusammenleben habe zwar auf der Grundlage eines „professionellen Pflegenestes” begonnen, daraus seien jedoch Beziehungen entstanden, die einem Eltern-Kind-Verhältnis entsprechen würden. Diese Tatsache habe auch das Jugendamt … anerkannt und am 13. Juli 2000 eine Pflegeerlaubnis gemäß § 44 Kinder- und Jugendhilfegesetz – KJHG – erteilt. Mit der Volljährigkeit sei ihnen die Personensorge für A. übertragen worden. A. halte sich jedes Wochenende und in seinen gesamten Ferien in der Familie auf, ebenso im Krankheitsfall.

Der Beklagte beantragt,

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung im Übrigen trägt er vor, A. habe sich seit 13. Mai 1988 bis zum 20. Juni 2000 sowie seit dem 5. September 2000 in Heimpflege befunden. Der Aufenthalt in der Familie des Klägers seit Juni 2000 sei von vornherein nur vorübergehender Natur gewesen, nämlich bis zur Bereitstellung eines neuen Heimplatzes. Es fehle zumindest an dem nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 EinkommensteuergesetzEStG – geforderten familienähnlichen, auf längere Dauer berechneten Band. Bei dem „Pflegenest” habe es sich um eine gewerbsmäßige Betreuung durch die Ehefrau des Klägers gehandelt, die dazu vom …-Haus als Erzieherin angestellt und entlohnt worden sei.

Mit Beschluss des Vorsitzenden vom 8. August 2002 sind die leiblichen Eltern des Kindes sowie die Kreisverwaltung … zu dem Verfahren beigeladen worden. Die Beigeladenen haben sich zum Verfahren nicht geäußert.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten Nr. … und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Seit dem 1. Januar 1996 wird das Kindergeld im laufenden Kalenderjahr als Steuervergütung monatlich gezahlt (§ 31 Satz 3 EStG). Nach § 155 Abs. 4 AbgabenordnungAO – sind die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften auf die Festsetzung einer Steuervergütung sinngemäß anzuwenden. Als Steuervergütung unterliegt das Kindergeld uneingeschränkt den steuerlichen Verfahrensvorschriften nach der Abgabenordnung, soweit nicht die Sonderregelungen des Abschnitt X des EStG (§§ 67 bis 78) anzuwenden sind (Bundesfinanzhof – BFH –, Beschlüsse vom 27. Juli 1999 VI S 13/99, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs [bis einschließlich 1997] / Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs [seit 1998] – BFH/NV – 2000, 39, und vom 14. Juli 1999 VI B 89/99, BFH/NV 1999, 1597), was vorliegend nicht der Fall ist.

Beim Kindergeld werden auch Pflegekinder berücksichtigt (§ 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Das sind nach der Legaldefinition in der letztgenannten Vorschrift „Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie in seinen Haushalt aufgenomme...

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