rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung einer Prüfungsanordnung wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit. Örtliche Zuständigkeit für Umsatzsteuer. Zuständigkeitswechsel. Anordnung einer neuen (Anschluss-)Prüfung bei Anfechtung der Prüfungsanordnung betreffend die Vorjahre

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Umsatzsteuer ist gem. § 21 Abs. 1 S. 1 AO das FA örtlich zuständig, von wo aus der Unternehmer seine gewerbliche Tätigkeit betreibt. Das ist der Ort an dem der Plan, auf dem die Tätigkeit beruht, zur Ausführung gelangt, d. h. die Tätigkeit angeboten wird, Aufträge und Zahlungen entgegengenommen und die Ausführungen vorbereitet werden. Dieser Ort kann, muss aber nicht mit dem Ort der Geschäftsleitung i. S. d. § 10 AO zusammenfallen. Der Unternehmenssitz gem. § 11 AO ist für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit für die Umsatzsteuer unerheblich.

2. Eine Aktenübernahme ist für die Frage eines Zuständigkeitswechsels des FA unerheblich. Der Wechsel der Zuständigkeit eines FA gem. § 26 AO tritt nicht ein, wenn das FA die Tatbestandsvoraussetzungen der die Zuständigkeit festlegenden Norm nicht prüft und damit keine Überlegungen zu den für einen Zuständigkeitswechsel maßgeblichen Umständen tätigt.

3. Das FA muss nicht erst den Abschluss einer Betriebsprüfung bzw. die gerichtlich Entscheidung über angefochtenen Prüfungsanordnungen abwarten, bevor es für nachfolgende Zeiträume eine Prüfungsanordnung erlässt.

 

Normenkette

AO § 21 Abs. 1 S. 1, § 26 S. 1, §§ 10-11, 195 Abs. 2, § 193 Abs. 1; BpO § 4 Abs. 3

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsanordnung.

Die Klägerin wurde im Jahr 1990 unter der Firma I. GmbH mit dem Sitz in M. gegründet. Der Gegenstand des Unternehmens beinhaltet laut Handelsregistereintragung seither unverändert folgende Bereiche: Handel mit Industrieerzeugnissen und landwirtschaftlichen Produkten. Die Gesellschaft tritt als Mittler bei Bartergeschäften auf und übernimmt den Ex- und Import für oben genannte Waren. Die Gesellschaft führt Beratungen, Projektierungen, Montagen, Wartung und Reparaturen auf dem Gebiet der Energieerzeugung, der Kälte-, Klima- und Lüftungstechnik durch. Die Gesellschaft arbeitet auf dem Gebiet der Nutzung von umweltfreundlichen alternativen Energien und erstellt Energiekonzepte und Energiesparprogramme. Die Gesellschaft kann sich an anderen Gesellschaften beteiligen, um die oben genannten Gesellschaftszielen zu erreichen.

Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 13. Dezember 2002 wurde die Firma in L. D. GmbH geändert.

Die Gesellschaft ist bis heute im Handelsregister B des Amtsgerichts S. unter der Nummer HRB … eingetragen; als Sitz ist nach wie vor M. eingetragen.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin teilte dem Finanzamt M. I mit Schreiben vom 19. März 2008 mit dem Betreff „Sitzverlegung” mit, dass anlässlich einer „Geschäftsführerzusammenkunft” am 5. März 2008 entschieden worden sei, den „Sitz der Geschäftsleitung” nach H. zu verlegen. Der „Sitz der Geschäftsleitung” befinde sich ab dem 17. März 2008 in H., …weg … Das Finanzamt wies mit Schreiben vom 10. November 2008 darauf hin, dass die Sitzverlegung durch die Gesellschafterversammlung beschlossen werden müsse und bat um die Übersendung des entsprechenden Beschlusses. In einem weiteren Schreiben an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 12. Dezember 2008 führte das Finanzamt M. I aus, dass man festgestellt habe, dass sich der Ort der Geschäftsleitung der Klägerin nunmehr dort befinden solle, wo auch der Prozessbevollmächtigte Kanzleiräume habe. Eine durch das Finanzamt H. durchgeführte Umsatzsteuernachschau habe ergeben, dass die Klägerin keine Büroräume unter der Adresse …weg … in H. unterhalte. Telefonisch sei sie dort auch nicht zu erreichen. Entsprechendes sei vielmehr unter der Adresse in M. der Fall. Im Internet sei als Firmensitz ebenfalls M., Am … 8, angegeben.

Der Prozessbevollmächtigte reichte die Kopie des Gesellschafterbeschlusses vom 5. März 2008 nach (Schreiben vom 11. Februar 2009). Der Beschluss lautet (auszugsweise) wie folgt:

Die Geschäftsführer der D. GmbH vertreten durch den Herrn B. L., Herrn P. L. und Herrn Dr. V. H. fassen folgenden:

Gesellschafterbeschluss

Anlässlich der Gesellschafterversammlung am 05.03.08 in B. NL wurde beschlossen den Sitz der Geschäftsführung nach H. zu verlegen. […]

B., den 05.03.08

Der Beschluss ist von den eingangs des Beschlusses genannten Personen unterschrieben. Der Prozessbevollmächtigte erläuterte hierzu, dass B. L. und P. L. Geschäftsführer der Mehrheitsgesellschafterin, der L. … BV, seien. Somit sei der Beschluss tatsächlich von allen Gesellschaftern unterzeichnet worden. Ergänzend führte er aus, dass die maßgeblichen Beschlüsse der Gesellschaft überwiegend in H., …weg …, aber teilweise auch in den Niederlanden in T., …, getroffen würden.

Aus den vom Beklagten – auch zu weiteren Verfahren der Klägerin – vorgelegten Akten er...

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