rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch für ein volljähriges Kind mit eigenem Kind ab 2012 unabhängig von einer Unterhaltssituation und einem Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den Vater des eigenen Kindes

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach dem Wegfall des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG in der Fassung vor Ergehen des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 enthält das EStG für den Kindergeldanspruch ab 2012 neben den grundsätzlichen Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 S. 1 EStG keine weiteren Voraussetzungen mehr, insbesondere sind keine Grenzbeträge hinsichtlich eigener Einkünfte und Bezüge des Kindes mehr einzuhalten und kommt es nicht mehr auf eine „typische Unterhaltssituation” an.

2. Für den Kindergeldanspruch für eine volljährige ledige Tochter mit einem eigenen Kind ist es daher ab 2012 unerheblich, ob die Tochter einen eigenen Unterhaltsanspruch gegen den mit ihr nicht zusammenlebenden Kindsvater hat und ob ein sog. Mangelfall vorliegt (gegen DA 31.2.3 FamEStG Stand 2013).

 

Normenkette

EStG 2012 § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, §§ 62, 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; EStG 2007 (in der vor 2012 gültigen Fassung) § 32 Abs. 4 S. 2; BGB § 1615l

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 03.07.2014; Aktenzeichen III R 46/13)

BFH (Urteil vom 03.07.2014; Aktenzeichen III R 46/13)

 

Tenor

Der Ablehnungsbescheid vom 25. Juni 2012 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 13. August 2012 werden aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger für seine Tochter für den Zeitraum April 2012 bis August 2012 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kindergeldfestsetzung für die Tochter des Klägers, geboren Mai 1989. Die Tochter ist ledig und hat ein eigenes Kind. Bis August 2012 befand sich die Tochter in Ausbildung zur Friseurin. Der letzte Prüfungstag war der 31. August 2012.

Mit Antrag vom 5. April 2012 beantragte der Kläger für seine Tochter Kindergeld. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25. Juni 2012 mit der Begründung ab, dass die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht erfüllt seien und dass aufgrund der Nichtvorlage der Einkommensnachweise des Vaters des Enkelkindes nicht geprüft werden könne, ob nicht mehr die Eltern des Kindes, sondern der Vater des Enkelkindes nach § 1615 I Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Unterhalt verpflichtet sei.

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die am 12. September 2012 erhobene Klage. Der Kläger vertritt die Ansicht, dass die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Kindergeld vorliegen würden und dass die Tochter keine Einkünfte erzielt habe, die den gesetzlich festgelegten Grenzbetrag überschreiten würden. Insbesondere habe die Tochter gegenüber dem Kindeskindsvater keinen Anspruch auf Unterhaltsleistungen nach § 1615 I BGB und sei er, der Kläger, als Elternteil weiterhin zum Unterhalt verpflichtet. Die Tochter habe zu keinem Zeitpunkt mit dem Kindeskindsvater in einer Haushaltsgemeinschaft zusammengelebt und von diesem auch keinen Unterhalt erhalten. Zudem sei nach der Gesetzesänderung seit dem 1. Januar 2012 das erzielte Nettoeinkommen der Tochter nicht mehr zu berücksichtigen. Nach der gesetzgeberischen Entscheidung sei der Kindergeldanspruch unabhängig vom Einkommen der Tochter gegeben.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 13. August 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, an den Kläger Kindergeld in gesetzlicher Höhe für das Kind ab April 2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte stellt dar, dass der Grundtatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG bis August 2012 nachgewiesen sei. Sie ist jedoch der Ansicht, dass ein Anspruch auf Kindergeld nur dann bestehe, wenn der Kläger nachweise, dass der eigentlich vorrangig Unterhaltsverpflichtete – hier der Kindeskindsvater – aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation nicht in der Lage sei, seiner Verpflichtung zur Sicherung des Kindesunterhaltes nachzukommen, so genannter Mangelfall. Da die hierzu notwendigen Einkommensnachweise nicht vorgelegt worden seien, scheide ein Anspruch auf Kindergeld aus. Die Mangelfallprüfung sei nach der Dienstanweisung der Familienkassen (DA 31.2.3 DA-FamEStG Stand 2013) auch nach der Neufassung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 (BGBl. I S. 2131) weiterhin vorzunehmen. Das verfügbare Nettoeinkommen der Tochter übersteige den Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG, so dass ein Anspruch auf Kindergeld nicht bestehe.

Dem Senat hat ...

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