rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtskosten als Masseverbindlichkeit bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach Klageerhebung und Aufnahme des Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wurde nach Klageerhebung durch den (späteren) Insolvenzschuldner über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet und hat der Insolvenzverwalter das – durch das Insolvenzverfahren unterbrochene – Klageverfahren aufgenommen, so hat der Insolvenzverwalter im Falle des Unterliegens bzw. bei Rücknahme der Klage unabhängig davon die gesamten Kosten der Instanz als Masseverbindlichkeit zu tragen, ob es sich sich um einen Aktiv- oder Passivprozess handelt. Der Insolvenzverwalter tritt durch die Aufnahme des Rechtsstreits zu Lasten der Masse in die Verantwortlichkeit für den Prozess ein und übernimmt bewusst das Prozesskostenrisiko für das gesamte Verfahren.

2. Mit den bereits vor der Aufnahme durch den Insolvenzverwalter entstandenen Gebühren ist auch das Verfahren nach der Aufnahme abgegolten. Eine Aufteilung der Gebühren in Zeiträume vor und nach der Insolvenzeröffnung oder auf bestimmte Verfahrensabschnitte ist nicht möglich, da sich die Verfahrensgebühren Nr. 6110 oder 6111 des Kostenverzeichnisses zum GKG immer auf das gesamte Verfahren beziehen.

3. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 6110 des Kostenverzeichnisses zum GKG betrifft das „Verfahren im Allgemeinen” und entsteht durch jede einzelne durch das Gericht oder dem Gericht gegenüber im Lauf des Prozesses erfolgte Prozesshandlung immer wieder neu.

 

Normenkette

InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1, §§ 38, 85 Abs. 1 S. 1, § 86 Abs. 1; GKG § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, S. 1 Anlage 1 Nrn. 6110-6111; ZPO § 240; FGO § 136 Abs. 2, § 72 Abs. 2 S. 2

 

Tenor

Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

Die Forderung aus der Kostenrechnung vom 13. Mai 2014 in Höhe von 2092,50 EUR ist als Masseverbindlichkeit vom Erinnerungsführer zu begleichen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

 

Gründe

Mit Schriftsatz vom 28. März 2013, bei Gericht am 2. April 2013 eingegangen, hat der spätere Insolvenzschuldner B. gegen Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006, Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2005 und 31.12.2006, Gewerbesteuermessbescheide 2005 und 2006 sowie Umsatzsteuerbescheide 2005 und 2006 unter dem Aktenzeichen 4 K 361/13 Klage gegen das Finanzamt M. erhoben. Eine Klagebegründung sollte nach Akteneinsicht nachgereicht werden.

Am 29. Mai 2013 wurde durch das Amtsgericht H. unter dem Aktenzeichen … über das Vermögen des Insolvenzschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und der Erinnerungsführer zum Insolvenzverwalter bestellt.

Am 01. August 2013 meldete das Finanzamt seine Steuerforderungen zur Insolvenztabelle an. Nachfolgend bestritt der Erinnerungsführer die Forderungen in voller Höhe.

Nach mehrmaliger Anfrage des Berichterstatters an den Erinnerungsführer, ob der Rechtsstreit aufgenommen werde, teilte dieser mit Schriftsatz vom 31. Januar 2014 mit, dass er den Rechtsstreit aufnehme.

Nachdem dem Erinnerungsführer sodann mit richterlicher Verfügung Ausschlussfristen zur Darstellung des Klagebegehrens und zur Begründung der Klage nach §§ 65 Abs. 2 Satz 2, 79b Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) gesetzt worden waren, nahm dieser mit Schriftsatz vom 7. Mai 2014 die Klage zurück, woraufhin das Verfahren mit Beschluss vom gleichen Tage gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 FGO eingestellt wurde.

Am 13. Mai 2014 erging an den Erinnerungsführer die Kostenrechnung A 711 J mit einer zu zahlenden Forderung in Höhe von 2092,50 EUR. Bei einem Wert des Gegenstandes in Höhe von 147.190 EUR und einer ermäßigten Verfahrensgebühr in Höhe von 2312,00 EUR war die bereits bei Erhebung der Klage vom Insolvenzschuldner angeforderte Verfahrensgebühr in Höhe von 220 EUR in Abzug gebracht worden. Des Weiteren wurde eine Pauschale für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten in Höhe von 0,50 EUR in Rechnung gestellt.

Mit Schriftsatz vom 5. August 2014 vertrat der Erinnerungsführer die Ansicht, dass es sich bei der Forderung nicht um eine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Insolvenzordnung (InsO) handele, da nicht auf den Zeitpunkt der Aufnahme des Verfahrens abzustellen sei, sondern auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit der Klage. Diese sei vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten.

Die Erinnerungsgegnerin vertrat nachfolgend die Ansicht, dass die fälligen Gebühren dem Erinnerungsführer in Rechnung zu stellen seien, da er das Verfahren des Insolvenzschuldners aufgenommen habe. Zudem seien gegenüber dem Erinnerungsführer lediglich die nach Beendigung des Verfahrens fällig gewordenen Beträge in Rechnung gestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 11. September 2014 lehnte der Erinnerungsführer die Kostentragungslast der Insolvenzmasse ab. Er vertrat die Ansicht, dass nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Gerichtskostengesetz (GKG) die Verfahrensgebühr mit der Einreichung der Klageschrift fällig geworden sei und mithin diese Forderung durch den Insolvenzschuldner vor Verfahrenserö...

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