Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung und Charakter von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen. Keine Begründung einer Organschaft bei Vertragslaufzeit von weniger als fünf Jahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge im Sinne des § 291 AktG (Unternehmensverträge) sind grundsätzlich objektiv auszulegen, da ihre Existenz von der Mitgliedschaft der Gründer unabhängig ist. Dies bedeutet, dass für Dritte nicht erkennbare Absichten und Erwägungen der Vertragsparteien bei der Auslegung nicht verwertbar sind und die Auslegung in erster Linie auf den Wortlaut und Sinnzusammenhang im Vertrag zu stützen ist. Lediglich dann, wenn festgestellt wird, dass die Regelung keinen körperschaftlichen, sondern ausschließlich individualrechtlichen Charakter hat, ist der Weg zu den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen, also z.B. der Einbeziehung der Entstehungsgeschichte und von Vorentwürfen frei.

2. Die Mindestdauer eines von einer Körperschaft abgeschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages ist für Gesellschaftsgläubiger und künftige Gesellschafter von erheblicher Bedeutung. Sie hat körperschaftlichen Charakter.

3. Ein nach seinem Wortlaut auf eine kürzere Dauer als fünf Jahre geschlossener Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag kann eine gewerbesteuerliche und körperschaftsteuerliche Organschaft auch dann nicht begründen, wenn er nach dem Vortrag der Vertragsparteien eigentlich auf die erforderliche Mindestdauer von fünf Jahren hätte abgeschlossen werden sollen und in den Vereinbarungen zur Vertragslaufzeit neben der Nennung des Datums der erstmaligen Kündbarkeit auch auf Abschnitt 55 Abs. 7 KStR verwiesen wird.

 

Normenkette

KStG 2002 § 14 Abs. 1 Nr. 3; KStR 1995 Abschn. 55 Abs. 7; GewStG 2002 § 2 Abs. 2 Nr. 2; BGB § 133; AktG § 291

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.11.2007; Aktenzeichen I R 94/06)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob durch den zwischen der Klägerin, einer GmbH, und der X-KG geschlossenen Gewinnabführungsvertrag vom 19.12.2001 eine gewerbesteuerlich anzuerkennende Organschaft begründet wurde.

Unternehmensgegenstand der mit notariell beurkundetem Gesellschaftsvertrag vom 08.08.1975 gegründeten Klägerin sind …. Die Gesellschafterversammlung beschloss am 18.10.2000, das Wirtschaftsjahr vom 01.10. eines Jahres bis zum 30.09. des Folgejahres auf das Kalenderjahr umzustellen.

Die X-KG erwarb bis Januar 2001 sämtliche Anteile an der Z-GmbH und an der Y-AG.

Im März 2001 wurde ein Vertrag über die Gewinnabführung von der Y-AG an die X-KG entworfen, um eine handels- und steuerrechtliche Ergebnisverrechnung zu erreichen. Um eine kurzfristige Verrechnung zu erreichen, wurde eine Umstellung des Wirtschaftsjahres der Y-AG auf den Zeitraum 01.04. bis 31.03 des Folgejahres erwogen. Der Entwurf des Gewinnabführungsvertrages sah folgende Regelung zur Vertragsdauer vor:

§ 4

Wirksamwerden und Vertragsdauer

(1) Der Vertrag wird unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Gesellschafterversammlungen von X-KG und Y-AG geschlossen. Er wird wirksam mit der Eintragung in das Handelsregister der Y-AG und gilt – mit Ausnahme des Weisungsrechts nach § 1 – für die Zeit ab dem 1. April 2001 (oder 01.01.2001 (?)).

(2) Der Vertrag kann erstmals zum Ablauf des 31. März 2006 unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden. Wird er nicht gekündigt, so verlängert er sich bei gleicher Kündigungsfrist um jeweils ein Kalenderjahr.

(3) Das Recht zur Kündigung des Vertrags aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bleibt unberührt. Auf Abschnitt 55 Abs. 7 KStR wird entsprechend verwiesen.

(4) Wenn der Vertrag endet, hat X-KG den Gläubigern der Y-AG gemäß § 303 AktG ggfs. Sicherheit zu leisten.

Zum 01.04.2001 wurde noch kein Gewinnabführungsvertrag zwischen der X-KG und der Y-AG geschlossen.

Am 21.06.2001 schloss die X-KG mit der Z-GmbH, die ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 01.07 eines Jahres bis zum 30.06. des Folgejahres hatte, einen Gewinnabführungsvertrag. Er enthält folgende Regelung zur Vertragsdauer:

§ 4

Wirksamwerden und Vertragsdauer

(1) Der Vertrag wird unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Gesellschafterversammlungen von X-KG und Z geschlossen. Er wird wirksam mit der Eintragung in das Handelsregister der Z-GMBH und gilt rückwirkend für die Zeit ab dem 1. Juli 2001, 0.00 Uhr.

(2) Der Vertrag kann erstmals zum Ablauf des 30. Juni 2006 unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden. Wird er nicht gekündigt, so verlängert er sich bei gleicher Kündigungsfrist bis zum Ende des nächsten Wirtschaftsjahres.

(3) Das Recht zur Kündigung des Vertrags aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bleibt unberührt. Auf Abschnitt 55 Abs. 7 KStR wird entsprechend verwiesen.

(4) Wenn der Vertrag endet, hat X-KG den Gläubigern der Y-AG gemäß § 303 AktG ggfs. Sicherheit zu leisten.

Zum 01.01.2002 wurde zwischen der X-KG und der Y-AG ein Gewinnabführungsver...

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