Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerzahlung als insolvenzrechtlich anfechtbare Handlung

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Haftung für Steuern, wenn eine nach steuerrechtlichen Vorschriften gebotene Steuerzahlung gleichzeitig eine nach insolvenzrechtlichen Vorschriften der § 130 ff InsO anfechtbare Handlung darstellt.

 

Normenkette

AO § 34 Abs. 1, § 69 S. 1, § 225 Abs. 3; GmbHG § 35 Abs. 1, § 64 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; InsO §§ 92, 129 Abs. 1, § 130

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Beklagte den Kläger als früheren Geschäftsführer einer Fa. "xxx Revisions- und Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft i.L." mit Sitz in Berlin (künftig: GmbH) für rückständige Lohnsteuer dieser Gesellschaft persönlich in Haftung nehmen kann.

Der Kläger, von Beruf Diplom-Kaufmann, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, gründete zusammen mit dem Steuerberater und Wirtschaftsprüfer xxx aus Berlin am 5. Oktober 1990 die o.g. GmbH. Am Gesamtstammkapital der Gesellschaft in Höhe von 50 000 DM war er mit 24 500 DM beteiligt. Die beiden Wirtschaftsprüfer waren auch zunächst gemeinsam Geschäftsführer der GmbH. Mit notariellem Vertrag vom 7. Oktober 1991 trat xxx seinen Gesellschaftsanteil an den Kläger ab und legte sein Geschäftsführeramt mit sofortiger Wirkung nieder, so dass dieser fortan Alleingesellschafter und -geschäftsführer war. Die GmbH beschäftigte zunächst 5 Arbeitnehmer, in späteren Jahren teilweise nur noch einen Arbeitnehmer mit niedrigen Lohnbezügen (z. B. von der GmbH für die Monate August bis Oktober 2002 angemeldete Lohnsteuer: 262,83 EUR pro Monat).

Der Beklagte führte bei der GmbH im Winter 2000/2001 eine Betriebsprüfung betr. das Jahr 1994 durch. Die GmbH hatte für jenes Jahr ein Jahres-Betriebsergebnis in Höhe von 198,24 DM erklärt. Der Betriebsprüfer gelangte zu der Auffassung, dass "Fremdleistungen" an den Kläger in Höhe von 257 611,00 DM als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) einzustufen seien (vgl. Tz. 7 des BP-Berichts vom 22. Mai 2001). Hintergrund dieser Beurteilung war, dass der Kläger im Jahr 1994 (und etlichen weiteren Jahren) neben seiner Tätigkeit für die GmbH auch noch einzelunternehmerisch als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer tätig war und Personal, welches in der einzelunternehmerisch geführten Beratungskanzlei angestellt war, für Zwecke der GmbH eingesetzt hatte (vgl. dazu rkr. Urteil des FG Berlin vom 5. August 2002 8 K 8027/02). Diese rechtliche Einschätzung wurde später vom Körperschaftsteuersenat des FG Berlin als zutreffend angesehen. Das FG Berlin begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, die GmbH habe - entgegen der Rechtsprechung des BFH - mit dem Kläger als Einzelunternehmer nicht im vorhinein eine klare Vereinbarung darüber getroffen, welche konkreten Tätigkeiten Mitarbeiter des Einzelunternehmens des Klägers gegen Rechnung zugunsten der GmbH erbringen und nach welchem Maßstab (Anzahl der Arbeitsstunden oder Höhe der Gebührenwerte der jeweiligen Steuerberatungsfälle) die vom Einzelunternehmen zu erbringenden Leistungen abgerechnet werden sollten.

Gegen die aufgrund der Ergebnisse der Betriebsprüfung erlassenen Änderungsbescheide betr. Körperschaft- und Gewerbesteuer 1994 vom 12. September 2001 legte die GmbH fristgerecht Einsprüche ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung der Nachforderungsbeträge, die ihr mit Verfügung des Beklagten vom 21. November 2001 für die Dauer des Einspruchsverfahrens auch gewährt wurde (insgesamt: 190 579,00 DM).

Einige Zeit nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 20. Dezember 2001 lief die gewährte Aussetzung der Vollziehung aus (am 15. Februar 2002). Gleichwohl erbrachte die GmbH auch in den folgenden keinerlei Tilgungsleistungen auf die rückständigen Beträge. Statt dessen geriet sie parallel ab November 2001 auch mit der Zahlung der von ihr selbst angemeldeten, monatlich zu entrichtenden, laufenden Lohnsteuern zusätzlich in Rückstand.

Die Jahresabschlüsse der GmbH weisen folgende Betriebsergebnisse aus:

Umsatz:

Betriebsgewinn/Betriebsverlust:

1995:

1996:

1997:

1998:

1999:

2000:

2001:

2002:

2003:

2004:

Die Bilanz auf den 31.12.2001 weist zum Aktivposten "Schecks, Kassenbestand, Bundesbank- und Postgiroguthaben, Guthaben bei Kreditinstituten" nur einen Bestand in Höhe von 4 783,00 DM aus. Im Übrigen stehen offenen Forderungen der GmbH in Höhe von insgesamt 193 795,54 DM Verbindlichkeiten der GmbH (ohne die streitgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten) in Höhe von 175 064,38 DM gegenüber.

Am 10. April 2002 brachte der Beklagte eine erste Pfändungs- und Einziehungsverfügung wegen der aufgrund der durchgeführten Betriebsprüfung nacherhobenen Betriebssteuern sowie der Lohnsteuerrückstände in Höhe von insgesamt 102 905,96 EUR gegenüber der wegen eines dort geführten Geschäftskontos der GmbH aus, die ausweislich der Drittschuldnererklärung des Kreditinstituts vom 18. April 2002 nur zu einem Teilerfolg in Höhe von 7 007,47 EUR führte. Gegen diese Vollstreckungsmaßnahme erhob die GmbH beim...

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