Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer 1991

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.03.1996; Aktenzeichen VI R 94/95)

 

Tenor

Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1991 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 2. August 1994 sind Unfallkosten von … DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der Klägerin zu berücksichtigen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leisten.

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eheleute. Sie haben eine Tochter, die im Streitjahr sechs Jahre alt war. Beide Kläger waren im Streitjahr als Feuerwehrbeamter (Kläger) und als Debitorensachbearbeiterin (Klägerin) ganztags berufstätig. Am 4. Juli 1991 um 07.45 Uhr verursachte die Klägerin mit ihrem Pkw vor ihrem Arbeitsbeginn einen Verkehrsunfall; ihre Aufwendungen für die Behebung des Schadens betrugen unstreitig … DM.

Der Unfall ereignete sich auf der Strecke, die die Klägerin befahren mußte, um ihre Tochter unmittelbar vor Arbeitsbeginn zum Hort zu fahren. Die Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte betrug 12 km, und der Hort war nur durch eine Umwegfahrt von 3 km zu erreichen.

Streitig ist nach erfolglosem Vorverfahren, ob die Aufwendungen für den von der Klägerin auf der Umwegfahrt verursachten Unfall als Werbungskosten abzugsfähig sind, oder ob – wie der Beklagte meint – diese Aufwendungen nach § 12 Nr. 1 Einkommensteuergesetz –EStG– nicht berücksichtigungsfähig sind, weil es sich um solche für die Lebensführung gehandelt habe.

Die Kläger haben beantragt,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1991 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 2. August 1994 Unfallkosten von … DM als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben sich im Termin vor dem Einzelrichter am 11. Oktober 1994 mit einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Der Rechtsstreit ist gemäß § 6 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung –FGO– auf den Senat zurückübertragen worden.

Dem Senat haben die den Streitfall betreffenden Steuerakten vorgelegen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet ohne weitere mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 FGO.

Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide verletzen die Kläger in ihren Rechten, denn der Beklagte hat die auf der Umwegfahrt zum Hort entstandenen Unfallkosten zu Unrecht nicht als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit angesetzt. Die Aufwendungen sind daher zusammen mit den übrigen geltend gemachten Werbungskosten unter Abzug der vom Beklagten angesetzten Werbungskostenpauschale von … DM steuermindernd zu berücksichtigen.

Nach § 12 Nr. 1 EStG dürfen zwar die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen auf gewendeten Beträge, insbesondere Aufwendungen für die Lebensführung auch dann nicht abgezogen werden, wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. Zweifelhaft kann insoweit schon sein, ob diese Vorschrift vom Wortlaut her greift, weil die Aufwendungen nicht nur „zur Förderung” der Tätigkeit der Klägerin dienten, sondern weil die Unterbringung des Kleinkindes im Hort vor Arbeitsbeginn bei typisierender Betrachtung unabweisbar notwendig war, die Fahrt zum Hort (und die damit verbundenen Aufwendungen) mithin die Arbeitsaufnahme der Klägerin überhaupt erst ermöglichte.

Jedenfalls ist anerkannt, daß Unfallkosten, die einem Arbeitnehmer auf einer beruflich veranlaßten Fahrt entstehen, als Werbungskosten abzugsfähig sind (vgl. Schmidt/Drenseck, EStG, 12. Aufl. 1993, Anm. 12 „Unfallkosten” zu § 19 mit weiteren Angaben). Der Bundesfinanzhof –BFH– hat auch wiederholt entschieden, daß ein Unfall, der sich auf einer privat veranlaßten Abweichung von der vorgegebenen Fahrtroute ereignet, nicht beruflich oder betrieblich veranlaßt ist (Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs –BFH/NV– 1991, 512 mit weiteren Angaben).

Obwohl diese Grundsätze klar scheinen, hat es doch auch in der Rechtsprechung des BFH immer wieder Zweifels- und Grenzfälle gegeben. So hat der BFH die Aufwendungen für einen Unfall auf der Fahrt zur Essenseinnahme ebenso anerkannt (BFH, Bundessteuerblatt –BStBl– II 1982, 261) wie solche bei einem Abstecher zur Tankstelle (BFH, BStBl II 1985, 10), obwohl in beiden Fällen private Gründe für die Fahrtroutenabweichung ersichtlich und zumindest mitursächlich waren. Das Gericht hat in beiden Fällen zur Begründung entscheidend darauf abgestellt, ob die (Umweg-) Fahrt „von den beruflichen Zielvorstellungen des Steuerpflichtigen umfaßt” war und im übrigen weitgehend auf die Umstände des Einzelfalles abgestell...

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