rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Ansatzwahlrecht bei Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft, bei der die Entnahmen der im Rückwirkungszeitraum erwirtschafteten Gewinne das eingebrachte Buchvermögen übersteigen. Drittanfechtung der Steuerfestsetzung der aufnehmenden Gesellschaft durch den Einbringenden

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird ein Betrieb im Ganzen im Wege der Sacheinlage in eine Kapitalgesellschaft als übernehmende Gesellschaft gegen Gewährung neuer Anteile an dieser Gesellschaft eingebracht und übersteigen die eingebrachten Passivposten die Aktivposten, sind die im eingebrachten Betriebsvermögen ruhenden stillen Reserven soweit aufzudecken, als dies zum Ausgleich des auf die jeweilige Sacheinlage bezogenen Negativkapitals erforderlich ist.

2. Das Ansatzwahlrecht ist nicht über den Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG hinaus im Wege der teleologischen Extension auch insoweit eingeschränkt, als der Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens durch Entnahmen im Rückwirkungszeitraum (ggf. korrigiert um Einlagen im Rückwirkungszeitraum) ins Negative gemindert wird.

3. Wegen der materiellen Bindungswirkung des bei der Besteuerung der übernehmenden Gesellschaft angesetzten Werts für die Besteuerung des Einbringenden kann dieser im Rahmen seines eigenen Besteuerungsverfahrens wegen eines etwa entstandenen Veräußerungsgewinns nicht mit der Einwendung gehört werden, es sei ein davon abweichender Wert als Veräußerungspreis anzusetzen. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie ist ihm daher die Befugnis zuzubilligen, die für die aufnehmende Kapitalgesellschaft maßgebliche Steuerfestsetzung im Wege der Drittanfechtung anzugreifen.

 

Normenkette

UmwStG § 20 Abs. 1, 2 S. 2 Nr. 2, Abs. 3, 5, 6 S. 3; FGO § 40 Abs. 2; GG Art. 19 Abs. 4

 

Tenor

Der gegenüber der Beigeladenen ergangenen Bescheid über Körperschaftsteuer für das das Jahr 2019 vom 01. Dezember 2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06. Mai 2022 wird dahingehend geändert, dass der Steuerfestsetzung eine Übernahme des vom Kläger eingebrachten Einzelunternehmens mit den dort zum 31. Dezember 2019 ausgewiesenen Buchwerten in die Eröffnungsbilanz der Beigeladenen zum 31. Dezember 2019 zugrunde gelegt wird.

Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Im Übrigen werden die Kosten des Verfahrens dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob im Fall einer rückwirkenden Einbringung eines Einzelunternehmens in eine Kapitalgesellschaft, bei der die Entnahmen der im Rückwirkungszeitraum erwirtschafteten Gewinne das eingebrachte Buchvermögen übersteigen, eine Einschränkung des Ansatzwahlrechtes analog § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Umwandlungssteuergesetzes –UmwStG– für das zum Rückwirkungszeitpunkt vom Einzelunternehmen auf die Kapitalgesellschaft übergehende Vermögen zu beachten ist.

Der Kläger betrieb unter der Firma „B… e.K.” ein Einzelunternehmen, das er mit notariellem Vertrag vom 21. Dezember 2020 (UR-Nr. … des Notars C… in D…) im Zuge einer Bar- und Sachgründung der Beigeladenen als Agio auf diese übertrug.

Zudem errichtete der Kläger am 21. Dezember 2020 die E… GmbH, in die er wiederum seine 100 %ige Beteiligung an der Beigeladenen im Wege einer Bar- und Sachgründung als Agio einbrachte.

Beide Gesellschaftsgründungen meldete der Kläger noch am 21. Dezember 2020 zur Eintragung in das Handelsregister des Amtsgerichtes D… an. Die Beigeladene wurde am 26. Januar 2021 eingetragen.

Die Beigeladene beantragte beim Beklagten mit Schreiben vom 15. März 2021 die steuerliche Rückbeziehung der Einbringung auf den 31. Dezember 2019, 24:00 Uhr unter Übernahme der für das Einzelunternehmen in der Schlussbilanz zum 31. Dezember 2019 ausgewiesenen Buchwerte.

Für das Jahr 2020 wies die Beigeladene einen bilanziellen Jahresüberschuss vor Steuern in Höhe von 958.804,21 EUR aus und gab an, dass im Rückwirkungszeitraum vom 01. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2020 Entnahmen in Höhe von 882.339,97 EUR getätigt worden seien.

Der Beklagte bewertete das übergehende Betriebsvermögen abweichend von der Eröffnungsbilanz der Beigeladenen zum 31. Dezember 2019 mit einem um 717.620,45 EUR erhöhten Wertansatz, den er wie folgt ermittelte:

Buchwert des Einzelunternehmens zum 31. Dezember 2019

164.719,52 EUR

abzüglich Entnahmen im Rückwirkungszeitraum

- 882.339,97 EUR

Erhöhungsbetrag

717.620,45 EUR.

Hiervon ausgehend setzte der Beklagte gegenüber der Beigeladenen mit Bescheid vom 01. Dezember 2021 die Körperschaftsteuer für den Veranlagungszeitraum 2019 (Rumpfwirtschaftsjahr 31. Dezember 2019 bis 31. Dezember 2019) in Höhe von 0,– EUR fest und übersandte dem Kläger am 28. Februar 2022 eine separate Ausfertigung des Bescheides.

Der Kläger leg...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge