rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Bedarfsbewertung eines Grundstücks. Würdigung eines zum Nachweis eines geringeren gemeinen Werts eingereichten Sachverständigengutachtens. Vorkaufsrecht als wertmindernder Umstand

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ob ein zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts vorgelegtes Sachverständigengutachten den geforderten Nachweis erbringt, unterliegt der freien Beweiswürdigung des FA und ggf. der Gerichte. Der Nachweis ist erbracht, wenn dem Gutachten ohne Einschaltung bzw. Bestellung weiterer Sachverständiger gefolgt werden kann. Etwaige Lücken im Gutachten können vom FA und vom FG selbst geschlossen werden, wenn und soweit dies ohne Sachverständige im üblichen Rahmen einer Beweiswürdigung möglich ist.

2. Auch nach der Neuordnung der Bedarfsbewertung ab dem Jahre 2009 ist ein Vorkaufsrecht grundsätzlich nur dann als wertmindernde Belastung berücksichtigungsfähig, wenn es zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks bestellt ist.

3. Ein durch Auflassungsvormerkung abgesichertes Vorkaufsrecht eines Bundeslands, das mit einem Festpreis für den Grund und Boden verbunden ist, ist ein Umstand, der den Preis beeinflusst, und daher bei der Ermittlung des niedrigeren gemeinen Werts gem. § 9 Abs. 2 S. 2 BewG durch einen entsprechenden Abschlag vom Verkehrswert des unbelasteten Grund und Bodens zu berücksichtigen.

4. Der Abschlag ist auf den halben zum Bewertungsstichtag ermittelten Bodenrichtwert zu begrenzen, wenn der Grundstückseigentümer einen Anspruch darauf hat, die Ausübung des Vorkaufsrechts durch Abführung des hälftigen Bodenwerts an das Land zu verhindern.

 

Normenkette

BewG § 9 Abs. 2, §§ 198, 178-179; BGB § 1094 Abs. 2; FGO § 96 Abs. 1 S. 1

 

Tenor

Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 05.07.2009 vom 13.07.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.09.2012 wird dahingehend geändert, dass der Grundbesitzwert auf 70.752 EUR festgestellt wird; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger zu 61,62 % und der Beklagte zu 38,38 % zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die zutreffende Höhe des vom Beklagten festgestellten Grundbesitzwertes auf den 05.07.2009.

Der Kläger ist Erbe seines am 05.07.2009 verstorbenen Vaters; aufgrund einer Anforderung des für die Festsetzung der Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamts B. führte der Beklagte eine gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes (Bedarfswertfeststellung) auf den Todeszeitpunkt des Vaters des Klägers für das im Zuständigkeitsbereich des Beklagten belegene Grundstück C.-Straße in Berlin durch. Bei dem Bewertungsobjekt handelt es sich um ein 848 m² großes Grundstück, welches mit einer Einfamilien-Doppelhaushälfte sowie einer Garage bebaut ist. Mit seinem Bescheid vom 13.07.2011 stellte der Beklagte den Grundbesitzwert auf 100.749 EUR fest; dabei wich der Beklagte insoweit von den Angaben des Klägers in dessen Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts ab, als er von anderen Grundflächen des Einfamilienhauses und der Garage ausging, einen weiteren Schuppen in Ansatz brachte, die vom Kläger erklärten Bauschäden nicht berücksichtigte sowie bei der Ermittlung des Wertes des Grund und Bodens die vom Kläger geltend gemachte eingeschränkte Verwertungsmöglichkeit nicht berücksichtigte. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger rechtzeitig Einspruch ein.

Der Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts des Grundstücks ein Sachverständigengutachten einzureichen sei. Im Januar 2012 fand eine Besichtigung des Grundstücks durch eine vom Beklagten beauftragte Bausachverständige statt. Diese ermittelte gegenüber dem angegriffenen Bescheid abweichende Grundflächen der Baulichkeiten und errechnete – unter Anwendung des sog. Sachwertanpassungsfaktors – einen gegenüber dem angegriffenen Ausgangsbescheid noch höheren Grundbesitzwert von 107.599 EUR. Daraufhin legte der Kläger ein Verkehrswertgutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken E. vom 09.08.2012 vor (Bl. 22 – 68 der Streitakte).

Der Gutachter ermittelte den Verkehrswert zum Wertermittlungsstichtag 05.07.2009 für das bebaute Grundstück C.-Straße mit 29.000 EUR. Die Wertabweichung gegenüber der Feststellung des Beklagten beruht im Wesentlichen auf einer abweichenden Wertermittlung beim Grund und Boden. Den Wert des unbelasteten Grund und Bodens errechnete der Gutachter zunächst im Vergleichswertverfahren mit 72.080 EUR (848 m² × 85 EUR); diesen Wert kürzte er sodann um 71.538 EUR auf den Bodenwert von 542 EUR. Zur Begründung dieses Kürzungsbetrages bezog sich der Gutachter auf Punkt 2.3.3 seines Gutachtens, wo u...

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