Entscheidungsstichwort (Thema)

Auf § 37 Abs. 2 AO gestützte Rückforderung von Altersvorsorgezulage vom Zulageempfänger auch nach Schaffung des § 90 Abs. 3a EStG weiter zulässig

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch nach der mit Wirkung ab dem Jahr 2018 erfolgten Einfügung des Absatz 3a in § 90 EStG ist die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen weiter berechtigt, rechtsgrundlos geleistete Zulagebeträge nach Beendigung und Abwicklung des Altersvorsorgevertrags unmittelbar vom Zulageempfänger gemäß § 37 Abs. 2 AO in Verbindung mit § 96 Abs. 1 Satz 1 EStG zurückzufordern.

2. Die Neuregelung in § 90 Abs. 3a EStG ist eine spezielle Vorschrift, die vergleichbar mit den §§ 9395 EStG Sonderfälle abdecken will. Sie ist nicht geeignet, den § 37 Abs. 2 AO zu verdrängen, weil er weiterhin aufgrund des Verfahrens und der insofern fehlenden Sonderregelung in Fällen eines bereits aufgelösten „Riester-Kontos” benötigt wird.

 

Normenkette

AO § 37 Abs. 2 Sätze 1-2; EStG § 90 Abs. 3 S. 2, Abs. 3a, § 96 Abs. 1 S. 1, Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.08.2023; Aktenzeichen X R 9/21)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Die Klägerin erhielt aufgrund ihrer Kündigung zum 1. März 2018 eine Kleinbetragsrente aus ihrem zuvor angesparten Altersvorsorgevertrag bei der A…..Versicherung, ihrer Anbieterin (§ 80 EinkommensteuergesetzEStG –), ausgezahlt.

Da die Klägerin bei Vertragsabschluss eine Dauervollmacht abgegeben hatte, wurde der Klägerin auf Antrag der Anbieterin für die Beitragsjahre 2017 und 2018 eine Altersvorsorgezulage aufgrund der Zugehörigkeit zum Personenkreis der Pflichtversicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Kinderzulage durch die Beklagte in Höhe von 524,00 EUR (2017) und 242,16 EUR (2018) gewährt. Die Auszahlung der Zulage erfolgte für 2017 am 15. Mai 2018 und für 2018 am 15. Mai 2019 an die Anbieterin, die sie an die Klägerin weiterleitete, da die Kleinbetragsrente zu diesen Zeitpunkten bereits abgefunden war.

Bei der Überprüfung der Zulage durch die Beklagte stellte sich heraus, dass die Klägerin mangels Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen für den Erhalt der Zulage nicht erfüllte. Da das Vertragsverhältnis mit der Anbieterin bereits beendet war, forderte die Beklagte die Zulage der Jahre 2017 und 2018 in Höhe von insgesamt 766,16 EUR nach § 37 Abs. 2 AbgabenordnungAO – direkt von der Klägerin zurück.

Im gegen den Bescheid erhobenen Einspruch machte die Klägerin geltend, da sie nicht wisse, wie die Anbieterin die Rente berechne und ob ihr das Geld zustehe, sehe sie es nicht ein, das Geld wegen einer Fehlentscheidung der Mitarbeiter der Versicherung wieder zurückzahlen zu müssen. Es sei zudem mehr als fraglich, ob für eine Rückforderung überhaupt eine Anspruchsgrundlage bestehe. Denn nach der seit 2018 neu eingeführten Regelung in § 90 Abs. 3a EStG sei die Anwendung des als Anspruchsgrundlage genannten § 37 Abs. 2 AO verdrängt.

Die Beklagte wies den Einspruch im August 2020 zurück und führte dazu aus, da die Klägerin die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulage nicht erfülle, das Vertragsverhältnis jedoch beendet und das Vermögen vollständig ausgezahlt worden sei, sei die Zulage nach § 37 Abs. 2 AO zurückzufordern. Auch § 90 Abs. 3a EStG sperre die Anwendung der allgemeinen Vorschrift nicht, da es keine gesonderte Regelung im Fall der Vertragsbeendigung gebe. Die Sondervorschriften in den §§ 90 bis 95 EStG setzten aber immer ein bestehendes Vertragsverhältnis voraus. Die Klägerin könne sich auch nicht mit Erfolg auf ein etwaiges Fehlverhalten ihrer Anbieterin berufen.

Im Klageverfahren betont die Klägerin, entscheidend für das Verfahren sei allein die Frage, ob § 37 Abs. 2 AO als Anspruchsgrundlage greife. Der Bundesfinanzhof – BFH – habe in seiner Entscheidung vom 9. Juli 2019 (X R 35/17, Sammlung der amtlich veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 264, 421, Bundesteuerblatt – BStBl. – II 2019, 668) die Frage, ob durch § 90 Abs. 3a EStG eine abschließende Regelung getroffen worden sei, ausdrücklich offengelassen. Vielmehr lasse das Urteil wegen der in den Gründen angegebenen Kommentierung zu diesem Problem die Deutung zu, dass ein Rückgriff auf die AO nicht zulässig sei. Da aber die Voraussetzungen des § 90 Abs. 3a EStG nicht erfüllt seien, sei der Bescheid rechtswidrig und aufzuheben.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 14. Mai 2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom

18. August 2020 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ihre Ausführungen aus der Einspruchsentscheidung wiederholend stützt sie ihre Rechtsansicht darauf, dass der Gesetzgeber keine abschließende Regelung durch § 90 Abs. 3a EStG habe schaffen wollen und sie – die Zentrale Zulagenstelle – in Fällen der Vertragsbeendigung weiterhin auf § 37 Abs. 2 AO zurückgreifen könne. Deren Voraussetzungen lägen vor, insoweit habe der...

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